Posted: October 8th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Mahnwache am 03.10.2019
Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der Mahnwache vor dem AfD-Büro in Münster am 3.10.2019:
Heute ist der sog. Tag der deutschen Einheit, für viele ein Anlass ihrem verqueren Nationalstolz Ausdruck zu verleihen.
Weiterhin gibt es Unterschiede zwischen Ost und West. In Führungsjobs in Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Justiz sind so gut wie keine Ostdeutschen vertreten: von 35 Minister*innen und Staatssekretär*innen der Bundesregierung kommen nur zwei aus dem Osten, nur zwei von 140 deutschen Botschafter*innen kommen aus Ostdeutschland, in Ostdeutschland selbst sind immer noch 80 % der Führungspositionen von Westdeutschen besetzt.
Doch im Gespräch waren dieses Jahr häufiger die Unterschiede im Wahlverhalten der Wähler*innen in Ostdeutschland, da die AfD bei Landtags- und Europawahlen dort stark zugelegt hat. Als Grund dafür wird angegeben, dass die AfD einen Wahlkampf macht, welcher sich gegen etablierte Parteien richtet; Menschen wählen sie aus Hoffnung auf soziale Verbesserungen. Oft wird Wähler*innen auch nachgesagt, sie würden die AfD lediglich aus Protest wählen, um die Politik zum Handeln zu zwingen.
Doch diese Erklärungsmodelle greifen zu kurz.
Die alltäglichen und institutionalisierten Rassismen im Westen Deutschlands werden so kleingeredet: Es wird verkannt, dass Deutschland ein großes Problem mit Rechtsextremismus hat, zum Beispiel rüstet die rechtsradikale Szene extrem auf und bewaffnet sich. Durch den Fokus auf die soziale Enttäuschung der Ostdeutschen und die Charakterisierung als Protestwähler*innen wird so getan, als gäbe es keine offene Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft.
Letztes Jahr in Chemnitz zeigte sich wieder mal, wie gut die rechtsextreme Szene organisiert und vernetzt ist. Dort liefen AfD, NPD, Repräsentant*innen der Identitären Bewegung, von Pegida und bekannte Neonazis nebeneinander und die Vernetzung deutschlandweit wurde einmal mehr sichtbar. Die AfD ist Sprachrohr dieser Szene und versteht sich gut darin, sich als „bürgerlich“ zu verkaufen, in dem sie diesen Begriff immer wieder gezielt und strategisch z.B. in Interviews betont. Sie wendet eine Strategie der Selbstverharmlosung an. Dass die AfD mit dieser Strategie Erfolg hat, zeigt sich u.a. darin, dass ihre Bezeichnungen und ihr Wording von anderen Politiker*innen und vielen Medien unreflektiert übernommen werden (so z.B. in der Berichterstattung des ARD nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg als eine Moderatorin die AFD als „bürgerlich“ beschrieb).
Doch egal, wie sehr die AfD hofiert wird, sie wird sich immer wieder die Opferrolle zuschreiben und versuchen, jede Bühne zu nutzen, um ihre nationalistischen, homophoben, antifeministischen und rassistischen Positionen zu vertreten. An Diskurs ist sie nicht interessiert.
Das sieht mensch auch an ihrer Feindseligkeit gegenüber der Medienlandschaft. Wir müssen die Medien und den öffentlich-rechtlichen rot-grünen Propagandaapparat angreifen und schwächen.”, so AfD-Bundestagsabgeordnete Heiko Heßenkemper.
Wer die Medien angreift, greift eine der großen Stützen einer offenen und vielfältigen Gemeinschaft an. Unabhängige Berichterstattung ist wichtig. Gerade jetzt zeigt sich, dass Recherchen vom Recherchekollektiv Exif und Co schon viel länger mehr Beachtung verdient haben. Dass so langsam auch in größeren Medien vorkommt, dass die Rechten aufrüsten, hätte früher beachtet werden müssen. Und ach, oh Wunder- wer konnte damit rechnen, dass die Rechten gewalttätig werden? Aber sobald eine Debatte über die Gefährlichkeit bewaffneter Rechtsextremist*innen angestoßen wird (siehe Lübcke, Aufmärsche in Chemnitz 2018,…), werden Fakten klein geredet und aus ihnen nicht ausreichende Konsequenzen gezogen, was z.B. das Verbot von Combat 18 angeht. Täter*innen werden als individuell und, ohne in Strukturen eingebunden zu sein, beschrieben. Und es schreit mindestens die Hälfte der anwesenden Politiker*innen auf, mensch müsse aber ganz dringend auch nach links sehen.
Nicht nur am Schulterschluss mit Nazi-Strukturen und bekannten Neonazis zeigt sich das politische Ziel der AfD. Auch an ihrer Rhetorik zeigt sich ihr rechtsextremistisches Weltbild. Mehr als einmal ist der Begriff des Bevölkerungsaustauschs gefallen und je nach Publikum wird sich davon distanziert – oder eben auch nicht. Erst kürzlich versuchte Höcke, der gerne Mal von der „katastrophalen Niederlage von 1945“ oder dem „bevorstehenden Volkstod“ spricht, in einem ZDF-Interview seinen NS-Wortschatz zu verharmlosen.
Schaut mensch in das Parteiprogramm der AfD, wird klar: Wer dazu gehört, soll die freie Marktwirtschaft genießen können, wer nicht – naja eigentlich ist egal, was mit den anderen ist. Ist ja nicht unser Problem. Die deutsche Markwirtschaft basiert auf dem Ausschluss marginalisierter Gruppen an Teilhabe. Faschismus steckt nicht nur im Rassismus, sondern in jeder Art von kategorisierendem Verwertungsdenken. Der Gedanke der Verwertbarkeit und die Beurteilung danach stecken in vielen Forderungen der AFD. Sie fordert einen Staat, welcher sich überwiegend um Verwaltung und Verteidigung kümmert. Wer soziale Unterstützung benötigt, wird allein gelassen. Momentane wirtschaftliche Probleme und Risiken werden nicht in Bezug auf dieses kapitalistische Herrschaftssystem gesetzt. Es werden lediglich Sündenböcke gesucht- und gefunden in marginalisierten Gruppen.
Wir könnten auch darauf hinweisen, dass die AfD menschenverachtend und offen rassistisch ist, das ist jedoch derart offensichtlich, dass das alle hier Anwesenden wissen werden.
Bis vor kurzem wurde viel von einer „Unterwanderung“ der AfD von rechts gesprochen. Das klingt so als würden die AfD- Leute damit gar nichts zu tun haben. Wer aber regelmäßig mit rechtsextremen auf Podien oder Demos auftritt, wer auf Versammlungen das Deutschlandlied in drei Strophen singt, wer mit Identitären Bewegung Überschneidungspunkte sieht, wird nicht von diesen unterwandert, sondern gehört dazu.
Durch den Erfolg der AfD fühlen sich auch in NRW rechtsextreme Gruppen selbstbewusster offensiver. Auch hier, ganz in der Nähe gibt es wichtige Hotspots der rechten Szene. Hamm ist und soll es anscheinend aufgrund Unfähigkeit/Inkonsequenz des Ordnungsamtes auch bleiben – gerade in Bezug auf Rechtsrockveranstaltungen.
Auch hier, in unserer schönen Blase in Münster in der die AFD so herrlich wenig Stimmen bekommen hat, ist es wichtig auch außerparlamentarisch und zivilgesellschaftlich klare Position zu beziehen. Zwar gehört die Münsteraner AfD offiziell (noch) nicht zum Flügel, das muss jedoch nichts heißen. Die von der AfD Ortsgruppe Münster geplante Veranstaltung mit Kalbitz, dem Vorsitzenden der AfD in Sachsen, konnte durch die Veröffentlichung des Veranstaltungsortes zum Glück noch verhindert werden. (an dieser Stelle mal wieder: #dankeantifa). Dies zeigt, dass purer Opportunismus Schiller und Co lenkt. Geht es in der Führungsriege der Bundes-AfD weiter nach rechts, werden sich die Münsteraner*innen anschließen.
Und genau deshalb ist es wichtig, dass wir hier stehen. Dass die Initiative Südviertel diese Viertelarbeit macht. Die meisten Menschen wissen nichts von diesem Ort der AfD, wo es ihr möglich ist sich zu vernetzen und zu besprechen. Dies muss thematisiert werden. Denn niemand will sie hier haben.
Danke an alle, die sich engagieren.
Danke an alle, die heute hier sind.
Danke an alle, die heute in Hamm waren.
Danke an alle, die sich dem Faschismus entgegenstellen.
Als nächstes folgt der Redebeitrag der Antifaschistischen Linken Münster, die in diesem Bereich nicht nur in Münster sehr wichtige Arbeit macht und die Initiative schon lange begleitet.
Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda! Und auch kein Recht auf Nazi-Büros.
Posted: July 17th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Mahnwache am 11.07.2019
Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der Mahnwache am 11.07.2019 in Münster zum Thema “Kein Schlussstrich”:
Heute vor einem Jahr wurde das Urteil im NSU-Prozess verkündet. Wir sind an diesem Tag gemeinsam mit Mitstreiter*innen in vielen anderen Städten auf die Straße gegangen. Wir haben den Opfern des NSU gedacht und gefordert: „Kein Schlussstrich“.
Kein Schlussstrich unter der Aufklärung der Morde, kein Schlussstrich unter die Verstrickung von Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten, kein Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, die den NSU erst möglich gemacht haben.
Seit dem Urteil ist noch einmal deutlich geworden, wie weit das Versagen der staatlichen Stellen bei der Verhinderung der Morde geht und wie langwierig die Aufklärung ist. So endete vor einem Monat der zweite NSU-Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag. Im Abschlussbericht sprechen die regierende CDU und SPD zwar von „Defiziten“ bei der Verfolgung des NSU. Sie können aber keine nachweisbare Schuld sächsischer Behörden oder des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz erkennen.
Dieser Bericht wird u.a. von 11 Anwält*innen der Nebenklage als Armutszeugnis bezeichnet. Die Möglichkeit einer frühzeitigen Festnahme und die Rolle des Landesamtes hatten sie immer wieder im NSU-Prozess thematisiert. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe konnten 10 Jahre in Sachsen untertauchen, obwohl sie schon im Visier der Strafverfolgungsbehörden waren.
Auch der alternative Abschlussbericht von Grünen und der Linke zeichnet ein deutlich anderes Bild: Das Landesamt ging Informationen nicht nach, gab wichtige Hinweise nicht an die Polizei weiter und behinderte nach der Selbstenttarnung des Trios die Aufklärung.
Und auch der NSU-Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern kam im vergangen Jahr nur schleppend voran. Wie so oft lag das an der Mauertaktik mehrerer Ministerien, die Akten nicht rausgeben konnten oder wollten. Außerdem sind wichtige Akten vernichtet worden.
Doch diese Verweigerung einer vollständigen und effektiven Aufklärung von Seiten staatlicher Behörden hat lange Kontinuität. Im NSU-Prozess wird dies an der Rolle der Bundesanwaltschaft deutlich, auf die wir noch einmal genau eingehen wollen. Die Bundesanwaltschaft leitete maßgeblich die Ermittlungen im NSU-Prozess. Sie selbst be- und verhinderte aber vorsätzlich die vollständige Aufklärung des NSU-Komplexes. Von Anfang an beschränkte sie die Verfolgung auf das Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sowie deren nächstes Umfeld und ignorierte damit den Netzwerkcharakter des NSU. Sie behinderte die Aufklärung staatlicher Beteiligung an diesem Netzwerk. Hielt Informationen zurück und verwehrte Verfahrensbeteiligten immer wieder die Akteneinsicht.
Schon in der Anklageschrift hatte sich die Bundesanwaltschaft festgelegt: Der NSU sei eine „singuläre Vereinigung aus drei Personen“ mit einem „eng begrenzten Kreis von wenigen Unterstützern“, der sich mit dem Tod von Mundlos und Böhnhardt aufgelöst habe. Trotz drückender Beweislage hielt sie während des fünfjährigen Prozesses an der Trio-These fest. Doch 13 parlamentarische Untersuchungsausschüsse und die Ermittlungen der Nebenklage haben gezeigt, dass es sich um einen breiten Unterstützer*innenkreis aus der rechtsradikalen Szene mit Verstrickungen zu staatlichen Behörden handelte. Es gibt Verbindungen zum Thüringer Heimatschutz, Combat 18 (eine Gruppe, deren Name auch im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Lübke auftaucht) und V-Personen wie Primus, in dessen Firma Mundlos und Böhnhardt arbeiteten.
Die Bundesanwaltschaft ließ Alex M. – der vielen unter seinem Tarnnamen Lothar Lingen bekannt sei dürfte-, im Oktober 2014 im Geheimen vernehmen. Der Verfassungsschützer Lingen hatte 2011 Akten über V-Leute aus dem Umfeld des NSU geschreddert hatte und so wichtige Informationen über das engmaschige staatliche Unterstützungsnetzwerk vernichtet. Ein halbes Jahr später beantragte die Nebenklage, Lingen als Zeugen zu laden, um mehr über dessen Schreddern zu erfahren. Die Bundesanwaltschaft behauptete daraufhin, dass der Vorwurf der vorsätzlichen Aktenvernichtung „spekulativ“ und „ins Blaue hinein“ sei. Peinlich für die Bundesanwaltschaft war dann die Aussage Lingens vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags ein Jahr später in der er dann öffentlich zugab, die Akten vorsätzlich zum Schutz der eigenen Behörden vernichtet zu haben.
Der Staatsanwaltschaft Köln stellte das Verfahren gegen Lingen übrigens gegen eine Geldauflage von 3000 Euro ein und er wurde in das Bundesverwaltungsamt versetzt. Die Bundesanwaltschaft hat die unterlassene Aufklärung vieler Themenkomplexe immer wieder damit gerechtfertigt, dass der Prozess gegen die fünf Angeklagten nur einen Ausschnitt der Ermittlungen zeige und es weitere Ermittlungsverfahren gebe. Es stimmt zwar, dass die Bundesanwaltschaft neun weitere Ermittlungsverfahren gegen Unterstützer*innen und eines gegen unbekannt führt.
Doch niemand hat das Gefühl, dass mit großen Nachdruck ermittelt wird. Ein Jahr nach dem Urteil ist man keinen Schritt weitergekommen: es wurde kein Verfahren eingestellt, es wurden aber auch keine Anklagen erhoben. Laut der Bundesanwaltschaft haben sich die Verdachtsmomente bisher nicht erhärtet. Mit wie vielen Ressourcen noch ermittelt werde, möchte sie aber auch nicht sagen und so drohen die Verfahren im Sande zu verlaufen.
Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenklage, befürchtet, dass die Verfahren nur deshalb noch offen gehalten werden, um Untersuchungsausschüssen und Hinterbliebenen mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren Auskünfte
verweigern zu können. Dieser Verdacht kommt nicht von ungefähr, schon im Prozess selbst hatte die Bundesanwaltschaft immer wieder systematisch Ermittlungsergebnisse zurückgehalten und Verfahrensakten nur sehr selektiv eingereicht oder zugänglich gemacht. Dadurch wurde insbesondere die Arbeit der Nebenklage erheblich erschwert. Durch diese Behinderung im Prozess blieb der Nebenklage und den Betroffenen die umfassende Rekonstruktion der Tatumstände verwehrt. So wissen die Familien der Ermordeten beispielsweise bis heute nicht, warum gerade sie ausgewählt wurden und welche potentielle Unterstützer*innenkreise vor Ort weiterhin existieren.
Doch auch der Blick in die Gegenwart zeigt, wie wenig Interesse an einer vollständigen Aufklärung besteht: Dort sehen wir das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, das einen Untersuchungsbericht bis 2134 geheim halten will. In dem Bericht wird die Rolle des Landesamtes untersucht und enthält mutmaßlich wichtige Informationen zum Mord an Halit Yozgat. Beim Mord an Halit Yozgat war der V-Mann Andreas Temme anwesend, der weder die Schüsse gehört, noch den Körper des sterbenden Halit Yozgat gesehen haben will. Durch die Untersuchungen von Forensic Architecture wissen wir, dass das eine Lüge ist.
Eine Geheimhaltungsfrist von 120 Jahren ist beispiellos und darf es in einem Rechtstaat nicht geben. Es kann für sie keine Rechtfertigung geben. Die Öffentlichkeit, aber vor allem die Hinterbliebenen von Halit Yozgat, haben einen Anspruch darauf die Wahrheit zu erfahren und nicht in Ungewissheit gelassen zu werden.
Darum fordern wir gerade am heutigen Tag:
Keine Akte mit NSU-Bezug darf verschlossen und geheim bleiben!
Die Verstrickung von Geheimdiensten und V-Personen muss endlich vollständig aufklären werden!
Unterstützer*innen und Mittäter*innen der NSU-Morde müssen endlich angeklagt und verurteilt werden!
Posted: July 16th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Demo am 06.07.2019 in Münster
Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der Demo am 06.07.2019 in Münster zum Thema “Notstand bei der Seenotrettung”:
Heute möchten wir über die Kriminalisierung von Seenotrettung sprechen.
Wer auf See einen Notruf oder Kenntnis von einem Unglück erhält MUSS eingreifen und mit eigenem Schiff helfen. Diese Pflicht besteht völkergewohnheitsrechtlich wie auch völkervertragsrechtlich vorgesehen in verschiedenen Seerechtsübereinkommen (Search-and-Rescue-Konvention, die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen, das Internationale Abkommen über Seenotrettung …).
Seenotrettung ist also ein Muss und nicht rechtlich verhandelbar. Allerdings wird sie zunehmend auf vielen Ebenen kriminalisiert:
Was meinen wir mit Kriminalisierung?
Mit Kriminalisierung meinen wir die Änderung von Gesetzen und die Ausweitung der Auslegung von Gesetzen, die zur Strafbarkeit von Handlungen führt.
Zum Beispiel: Durch das kürzlich verabschiedete Hau-Ab-Gesetz wird die Weitergabe von Abschiebungsterminen zum Dienstgeheimnis erklärt. Die Handlung, also die Weitergabe von Informationen, bleibt die gleiche. Doch macht sich die Person, die einen Abschiebungstermin weitergibt jetzt strafbar.
Auf verschiedensten Ebenen wird auch die Seenotrettung u.a. durch die Friedensnobelpreisträgerin Europäische Unionkriminalisiert und behindert. Hier nur einige Beispiele:
- Kriminalisierung durch die (Nicht-)Zulassung von Schiffen, wenn der Verdacht besteht, dieses werde zur Seenotrettung eingesetzt.
- Bereits erteilte Zulassungen werden Search-and-Rescue-Schiffen nachträglich entzogen. Begründet wird dies auch damit, die Begehung von Straftaten verhindert werden soll, da gegen die Crewmitglieder wegen Beihilfe zur illegalen Grenzüberschreitung ermittelt wird.
- Doch Schiffe werden nicht nur am Auslaufen, sondern auch am Einlaufen gehindert. Dem italienischen Schiff Mare Jonio wurde im März erstmals die Einfahrt in einen italienischen Hafen verwehrt. Auch der Aquarius (August 2018 mit 141 Geretteten)und der Sea Watch 3 (im Mai und jetzt wieder im Juni) wurden ein sicherer Hafen verwehrt.
Die Kriminalisierung von Aktivist*innen vor Ort erfuhr erst diese Woche eine neue Eskalationsstufe. Die Kapitänin Carola Rackete wurde von der italienischen Polizei festgenommen. Mittlerweile wurde sie zwar wieder frei gelassen, doch wird sie von der Staatsanwaltschaft in Agrigento (Sizilien) beschuldigt, sich durch die unerlaubte Einfahrt in italienische Küstengewässer, durch die Nichtbeachtung des Anlegeverbots im Hafen von Lampedusa und durch das Rammen eines Polizeischiffs bei der Einfahrt in den Hafen strafbar gemacht zu haben. Ihr droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Außerdem könnte die Organisation Sea Watch, wie schon der Kapitän Reisch von der Lifeline im Mai 2019 (10.000 €), zu einem Bußgeld bis zu 50.000 € verurteilt werden. Am 12. Juni hatte die Sea-Watch 52 Personen gerettet.
Die Festnahme von Carola ist nur der Höhepunkt der Kriminalisierung von Aktivist*innen. Allein 2018 wurden insgesamt 99 Menschen aufgrund ihrer Hilfeleistungen angeklagt oder verurteilt (2017 waren es noch 45 Personen). Teilweise wird ihnen auch Menschenschmuggel, was bedeuten würde, dass sie mit dem Ziel handeln, sich einen Vorteil zu verschaffen,und die Zusammenarbeit mit Schleppern vorgeworfen. Klare Beweise für diese Vorwürfe konnten in keinem der Gerichtsverfahren vorgelegt werden.
Diese Abschottungspolitik der Festung Europa kommt nicht von irgendwo, sondern folgt der Logik des europäischen Grenzregimes, welches eingebettet ist in die Struktur der globalen, kapitalistischen Gesellschaft, welche die ihr immanenten Krisen nicht bewältigen kann.Nationalistische Migrationspolitik führt zu einer inhumanen Abschottungspolitik. Wertungswidersprüche des Konstrukts „Nationalstaat“ werden deutlich. Wie zum Beispiel die vielfach betonte Universalität der Menschenrechte im Kontrast zum Sterben an den Grenzen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse.
Dies zeigt sich aktuell neben der Kriminalisierung von Seenotrettung auch an anderen Punkten: Migrant*innen werden nach einer Logik des Ausnahmezustands behandelt und strukturell entrechtet.Aktivist*innen erfahren Repressionen bei ihrer Arbeit und solidarische, humane Verhaltensweisen werden kriminalisiert.
Und trotz der Kriminalisierung jener Verhaltensweisen, gibt es immer mehr solidarische Aktionen. So auch heute. Sie sind eine Antwort auf die große Zahlan Todesfällen und die Gefahren des europäischen Grenzregimes. Gesetze und Praktiken der EU, die zum Widerstand führen, werden und müssen weiter hinterfragt und angezweifelt werden. Allein die Tatsache, dass es ein zur Diskussion stehendes Politikum ist, Leben zu retten, reicht aus um das bestehende System der Grenzen und der Ausbeutung zu hinterfragen.
Seenotrettung ist keine kriminelle Handlung, sondern eine lebensrettende Notwendigkeit!
Wir fordern die Einrichtung von legalen und sicheren Fluchtrouten nach Europa.
Wir fordern einen Stopp der EU- Förderung von autoritären Regimen und Milizen, durch die Menschen sich gezwungen sehen ihr Leben auf dem Weg nach Europa aufs Spiel zu setzen und wenden uns grundlegend gegen das kapitalistische Herrschaftssystem.
Wir fordern ein sofortiges Ende der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung, die Einrichtung einer europaweiten, staatlichen Rettungsmission, sowie die Förderung der zivilen Seenotrettung!
Wir fordern, eine aufrichtige Politik, Städte der Zuflucht, Humanität, Verteidigung der Menschenrechte und unbedingteSolidarität.
Gegen die Festung Europa! Seenotrettung ist kein Verbrechen!
Posted: July 16th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Demo am 06.07.2019 in Warburg
Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei den Protesten gegen den Landesparteitag der AfD NRW in Warburg:
Die AFD ist keine Alternative. Für Niemanden!
Es ist nicht zu negieren, dass viele unzufrieden sind mit den gegebenen Verhältnissen. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, die soziale Ungleichheit steigt/wächst. Immer mehr Wohlstand wird auf immer weniger Privilegierte verteilt. Doch die Antwort heißt Solidarität. Nicht Ab- und Ausgrenzung.
Wer einfache Antworten auf komplexe Fragen sucht, muss nur den Parolen und Forderungen der AFD zuhören. Dass diese häufig weder rechtlich noch praktisch möglich sind, ist dann erstmal zweitrangig. Dass die AFD einer neofaschistischen Weltsicht folgt, ihre Mitglieder regelmäßig rassistische, verfassungsfeindliche und faschistischen Mist von sich geben und diese Partei auch bereit ist die Menschenwürde mit Füßen zu treten, muss reichen um bereits an dieser Stelle die Ansage an alle demokratischen Parteien zu machen : wer mit der AFD zusammen arbeitet um Wählerstimmen zurück zu gewinnen, verliert jegliches wenn denn je vorhandenes politisches Rückgrat. Ein Schulterschluss mit Faschisten ist nicht verhandelbar.
Die AFD kulturalisiert soziale Konflikte, setzt sie in Bezug zu „Rasse“, Gender und sexueller Orientierung und instrumentalisiert diese so für sich. Unser kapitalistisches System, in welchem Menschen nach Verwertbarkeit und Leistungsfähigkeit bewertet werden, bietet für dieses Schubladendenken auch eine wunderbare Bühne. Der Markt hat nichts gegen stumpfe Parolen und Ausgrenzung. Im Gegenteil, er profitiert davon.
Wenn sich verschiedene soziale Gruppierungen gegenseitig als Verantwortliche für herrschende Not erklären, lenkt das zumindest von den dem kapitalistischen System innewohnenden Widersprüchen und Mechanismen der Ausbeutung ab.
Forderung des „Starken aber schlanken Staates“
Wie sehr sich die AFD dieses Schubladendenken auf sämtlichen Ebenen zu eigen macht und wie deutlich sie sich als Vertreterin des Verwertbarkeitsregimes Kapitalismus versteht zeigt sich auch in ihrem Wahlprogramm. Gefordert wird ein freier Markt mit so wenig staatlichen Eingriffen wie möglich. „Ein starker aber schlanker Staat“ soll es sein. Stark lediglich was den Ausbau von Befugnissen für Polizei und Verfassungsschutz. Trotz der Diskussion der AFD als Prüffall.
Einen schlanken Staat will sie im Bezug auf staatliche Unterstützung für sozial schwache Einkommen. Außer die betreffende Person arbeitet. Wer arbeitet soll mehr haben, als Menschen, die nicht arbeiten. Dabei kritisiert die AFD z.B. das ALG II.
Eine generelle Kritik an ALG II ist durchaus berechtigt. Allerdings sollte die Lösung nicht unbedingt mit „wer arbeitet soll auch mehr haben als jemand der nicht arbeitet“ enden, wie im Wahlprogramm der AFD ihre geplante „aktivierende Grundsicherung“ es tut.
Sie propagiert mit einer Politik für den Mittelstand, welcher gestärkt werden solle. Auch hier versteht sie als Lösung einen „schlanken Staat“ , der sich aus dem Wirtschaftsleben raushalten soll. Dass ein möglichst liberaler Markt den Mittelstand gerade NICHT stärkt, sondern die soziale Ungleichheit wachsen lässt, indem hauptsächlich große, international tätige Unternehmen davon profitieren, zeigen doch gerade offensichtliche gesellschaftliche Entwicklungen in sämtlichen Ländern unserer Erde.
Die Politik für „die kleinen Leute“, welche angeblich gegenüber Einwanderern vernachlässigt werden, macht die AFD sicher nicht.
Rechte Rhetorik
Rechte Rhetorik hat immer stärkeren Eingang in politische Debatten und Alltag gefunden. Ob durch selbstbewusster nach außen tretende Neonazi- Strukturen und offenes Auftreten der Identitären Bewegung oder durch Vertreter*innen der AFD in Parlamenten und Talkshows. Immer wieder betont sie wie stark die deutsche Rechtsstaatlichkeit verkommen würde und Willkür allein zum Vorteil einer Elite und Zuwanderer herrsche. Wer meint mit Rechten in Talkshows Reden zu müssen, verkennt dass diese nicht wirklich an einem inhaltlichen Diskurs, sondern lediglich an einer Bühne interessiert sind.
Dass die AFD das politische Sprachrohr und Taktgeberin des immer selbstbewussten auftretenden Rechtsextremismus ist, wird von ihr formell immer noch negiert. Auf der anderen Seite sehen Politiker wie Bundesvorstand Pazderski durchaus Berührungspunkt der Forderungen und Ziele von AFD und der sogenannten identitären Bewegung, welche sogar der liebe Hans Georg Maaßen als extremistisch bezeichnet. Und da muss ja anscheinend echt was zusammenkommen, wie seine Äußerungen zu den Angriffen auf Geflüchtete in Chemnitz, sein anscheinend erblindetes rechtes Auge als Chef des Verfassungsschutzes zeigten.
Das Verständnis von Rechtsstaatlichkeit der AFD
Gerne brüstet sich die AFD damit Ordnung und Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen zu wollen. Den Bürger*innen – natürlich eigentlich ungegendert – Sicherheit wiedergeben zu wollen und ihnen als einzige politische Akteurin zuzuhören.
Rechtsstaat bedeutet, dass auch Regierung, Gesetzgebung und Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden sind. und dass sich der Staat, nicht ein Mensch, für jede seiner Handlungen diesen gegenüber den Menschen rechtfertigen muss. Die Theorie des Rechtsstaats ist erwachsen als Gegenstück zum Macht- und Willkürstaat. Er geht von der Menschenwürde und dem Selbstbestimmungsrecht aller aus. Dabei geht es eben nicht nicht um die vehemente Durchsetzung von Gesetzen und Normvorstellungen der Herrschenden gegenüber wem auch immer.
Insbesondere Gauland fordert eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit. Dass diese verloren geht, sieht er unter anderem darin, dass niemand interveniert, wenn massenhaft Schüler*innen für die „Klimahysterie“ instrumentalisiert werden.
Auch sieht er einen Verlust des Rechtsstaats in der „massenhaft illegalen“ Einreise von Geflüchteten, welche einfach so geduldet würde. Es würde mit zweierlei Maß gemessen.
Allerdings, Herr Gauland, ist das Fundament unserer Demokratie und insbesondere Ihres Rechtsstaats nun mal das Grundgesetz und damit auch die Menschenwürde. Und diese kategorisiert nicht nach angeblich bestehenden Unterschieden aufgrund von Herkunft oder Gender. Abgesehen davon, dass die von Ihnen illegalisierten Menschen meiner Meinung nach einer krassen menschenverachtenden Abschiebepolitik entgegenblicken, falls sie es nach Deutschland schaffen sollten,, und ihnen wo immer es geht die Einreise erschwert wird. Von einer Duldung der Einreise oder gar staatlichen Willkommenskultur kann leider kaum die Rede sein.
Abschottungspolitik Europa/Deutschland
Nicht umsonst heißt die Forderung „nieder mit der Festung Europa“. Denn diese Festung ist existent. Die von rechts gewünschter Abschottung ist längst gängige Politik.
Diese Politik gipfelt darin, dass nicht nur der Wunsch auf ein sicheres Leben flüchtender Menschen, sondern auch die tatsächliche Rettung von Menschenleben kriminalisiert wird. Doch das nicht einmal nur von Rechtsaußen. Dass die Rettung von Menschenleben und Solidarisierung sozialer Gruppen untereinander überhaupt zur Politischen Debatte steht stellt ein Absurdum dar, welchem wir uns klar entgegenstellen.
Die AFD fordert ein Europa der Vaterländer. Einfacher ausgedrückt „jeder kämpft für sich allein“ – am besten natürlich aus einer Stellung der Macht heraus wie unser Staat sie momentan innehat.
Wir fordern hingegen ein Europa der Solidarität. Eine Alternative zum herrschenden System, welche ohne eine Argumentation, basierend auf der Idee von Grenzen und Nationalstaaten auskommt.
Aus gegebenem Anlass finden heute an vielen Orten Aktionen der Seebrücke statt mit denen wir uns ausdrücklich solidarisieren. Ein sofortiges Ende der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung, die Einrichtung einer europaweiten, staatlichen Rettungsmission, sowie die Förderung der zivilen Seenotrettung ist ein Muss!
Wir fordern dazu auf, sich hier und heute und überall rechtem und faschistischem Gedankengut entgegen zu stellen. Wir fordern klare Haltung aller demokratischen Parteien gegen die AFD.
Zeigen wir, dass eine andere Welt möglich ist! Jenseits von nationalistischem Denken, Ausgrenzung und kapitalistischen Verwertungszwängen.
Denn eines ist klar: Nationalismus ist keine Alternative!
Posted: July 11th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Kein Schlussstrich! Mahnwache zum Jahrestag des NSU-Urteils
Do, 11.07.2019 – 18:00, Historisches Rathaus Münster
Am 11. Juli 2018 wurde das Urteil im NSU-Prozess gesprochen. An diesem Tag gingen in München, Münster und vielen anderen Städten tausende Menschen unter dem Motto “KEIN SCHLUSSSTRICH” auf die Straße. Die gemeinsame Forderung war, dass das Urteil nicht das Ende der Aufklärung sein könne und dürfe.
Ein Jahr später werden Akten mit Bezug zum NSU weiter geheim gehalten und der Aufklärungsanspruch der Öffentlichkeit, aber vor allem der Betroffenen, verletzt. Die Verstrickungen von V-Männern und Geheimdiensten sind weiter nicht vollständig aufgeklärt, während die Ermittlungsverfahren gegen Unterstützer*innen des NSU-Trios drohen im Sande zu verlaufen.
Der Mörder von Walter Lübcke war Teil der hessischen Neonaziszene, was die Kontinuität von rechtsterroristischen Netzwerken in Deutschland deutlich macht.
Darum: Lasst uns den Opfern des NSU gedenken und uns die Forderung “KEIN SCHLUSSSTRICH” mit der Mahnwache erneuern!
Posted: July 11th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Kundgebung am 07.06.2019
Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der Kundgebung gegen das #HauAbGesetz in Münster:
Dieses Gesetz ist ein klarer Angriff auf das Rechtsstaatsprinzip, welches die Ausübung aller staatlichen Gewalt an das geltende Recht, mithin die Grundrechte ALLER bindet. Sämtliche Maßnahmen und Verfahrensänderungen sind auch verfassungsrechtlich stark bedenklich.
Das Gesetz führt einen Rechtsstatus unter der ohnehin prekären Duldung ein, der die Betroffenen von Integrationsangeboten und vor allem auch vom Arbeitsmarkt ausschließt (zur Erinnerung: eine Duldung ist lediglich die vorläufige Aussetzung der Abschiebung). Diesen Status sollen diejenigen erhalten, denen nach Ansicht der Behörden eine gescheiterte Abschiebung zugerechnet werden kann, zum Beispiel, weil sie nicht die notwendigen Reisedokumente bei sich führen, bzw. sich diese nicht beschafft haben.
Dies wird viele Menschen treffen, da ihnen von Seiten der Ausländerbehörden oft unterstellt wird für das Fehlen der Dokumente ausschließlich selbst verantwortlich zu sein. Menschen aus »sicheren Herkunftsstaaten« sollen ebenfalls keine Duldung mehr erhalten. Die »Duldung light« verfolgt also den Zweck, Menschen, die man nicht abschieben kann, bzw. welche das Recht haben in Deutschland bleiben zu können, immer stärker zu entrechten. Unter diesem Status können sie weder Ausbildung noch Arbeit nachgehen, sie unterliegen Wohnsitzauflagen und werden somit praktisch in die Illegalität getrieben.
Durch diese Praxis wird der Weg in Richtung dauerhaftes Bleiberecht versperrt, was vor allem auch bereits Integrierte junge Menschen, welche von Ausbildungsangeboten ausgeschlossen werden.
Außerdem soll das Institut der „erweiterten Vorbereitungshaft“ eingeführt werden. Nicht, dass die bereits existierende Abschiebehaft schon Zumutung genug wäre. Durch dieses sollen Menschen in Haft genommen werden, bei denen der Verdacht besteht, dass sie das Abschiebeverfahren umgehen, indem sie zum Beispiel ihre Identität nicht offenlegen. (Also praktisch alle Menschen, denen aufgrund fehlender Papiere unterstellt wird, sie würden diese absichtlich zurückhalten). Die Unterbringung soll außerdem gemeinsam mit Strafgefangenen erfolgen, was bisher zwar häufig faktisch so war, jedoch zumindest rechtlich nicht vorgesehen.
Weiter wird nicht nur das Asylrecht verschärft, sondern das gesamte Ausländerrecht. Auch Menschen, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sollen bei Straffälligkeit abgeschoben werden können – hierfür reicht eine Verurteilung wg, Entfernen vom Unfallort bereits aus.
Wer es irgendwie durch diese diversen Fallstricke schafft (was ohne fachkundige Beratung so gut wie unmöglich ist und die Möglichkeit diese wahrzunehmen wurde ebenfalls stark eingeschränkt), soll dann durch möglichst prekäre Lebensbedingungen weggeekelt werden. Die Leistungen ausreisepflichiger Personen, bzw, solcher, die bereits in einem anderen EU Land registriert sind, egal wie lange sie dort überhaupt waren, werden vehement gekürzt. Hier zeigt sich: Menschen werden gezielt in die Illegalität getrieben.
Achja und die unabhängige Verfahrensberatung steht natürlich offen, allerdings wird diese in erster Linie vom Bamf selber, welches ja mehr oder minder direkt am Asylverfahren beteiligt ist, durchgeführt.
Für Behörden wird es außerdem möglich sein ohne richterlichen Beschluss Wohnungen von Asylsuchenden zu betreten und Mit dem „2. Datenaustauschverbesserungsgesetz“ erhalten Behörden einen automatisierten Zugang zum Ausländerzentralregister, und damit auf höchst sensible Informationen, ohne wirksame Kontroll- oder Schutzmechanismen. Datenschutz Ade!
Bei Geflüchteten hören die Repressionen jedoch nicht auf!
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe kann werden, wer »ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde geplante Zeitpunkte oder Zeiträume einer bevorstehenden Abschiebung veröffentlicht, an einen unbestimmten Personenkreis gelangen lässt oder einem ausreisepflichtigen Ausländer mitteilt«. Inbegriffen sind sämtliche Medien und soziale Netzwerke, sowie interne Verteiler. Betroffene ist hier nicht nur die Presse- und Informationsfreiheit, sondern auch das Recht auf eine angemessene Verteidigung. Wenn Geflüchtete in Abschiebehaft genommen werden und Rechtsanwält*innen Eilrechtsschutz beantragen, ist auch für die Geflüchteten klarm, dass ihre Abschiebung bevorsteht. Haben Antwält*innen dann ein Verfahren an der Backe?
Eine der wohl erschreckendsten Sachen an dem Verfahren, durch welches dieses Gesetz zustande gekommen ist. Noch während die Anhörungen der Sachverständigen liefen, wurde der Entwurf durch die Große Koalition bereits weiter verschärft.
Eine demokratischen Grundsätzen Rechnung tragende Debatte hatte keine Zeit stattzufinden. In der Eile, in welcher dieses Gesetz durchgebracht wurde, legt sich der Schluss nahe, dass eine breite öffentliche Debatte über unseren Umgang mit Asylsuchenden politisch nicht erwünscht ist. Durch diese schnellen und komplizierten Änderungen auch im Asylverfahren, können nicht einmal Fachleute oder betreffende Anwält*innen Schritt halten.
Statt von Beginn an sich mit der tatsächlichen Materie auseinanderzusetzen sind sie hingegen gezwungen möglichst schnell Widerspruch einzulegen um überhaupt Zeit zu haben zu verstehen um was es im Einzelfall geht. Dies wird ihnen jedoch momentan sogar zum Vorwurf gemacht, da so betroffene ungefähr einschätzen können, wann ihr Abschiebungstermin angesetzt ist, was sie ja nicht erfahren sollen.
Warum das so passiert ist, hat der liebe Horst Seehofer ja gerade sehr deutlich zum Besten gegeben. In einem Interview legt er dar., dass er in den letzten 15 Monaten die Erfahrung gemacht hat, dass man Gesetze sehr kompliziert formulieren müsse damit sie nicht mehr so leicht zugänglich sind. Sind die Gesetze komplizierter, ist es einfacher sie „stillschweigend“ verabschieden zu können.
Er begründet dies damit, dass man so umgeht, dass seine wirren Ideen „unzulässig in Frage gestellt werden“. Mir ist schleierhaft, ab wann eine inhaltliche Kritik unzulässig sein kann. So langsam müsste er relativ deutlich gezeigt haben, dass er weder etwas mit christlichen Werten, einer demokratischen Union, sozialer Gerechtigkeit, dem Rechtsstaatsprinzip oder unserer Verfassung am Hut hat.
Mit diesem Gesetz missachtet die große Koalition eklatante Grundsätze eines demokratischen und sozialen Miteinanders. Dass die SPD sich als sozial bezeichnet sollte jemand den Mitgliedern des Bundestages, welche diesem Gesetz zugestimmt haben (bis auf 8 alle) vielleicht einmal sagen. Es sollen durch dieses Gesetz so schnell und so einfach wie möglich viele Menschen abgeschoben werden, Humanitäre Erwägungen, oder Grund- sowie Menschenrechte scheinen keine Rolle mehr zu spielen und es wird eine klar wirtschaftlich kapitalistisch orientierte Selektion durchgeführt. Einem Rechtsstaat zugrundeliegende Standards werden über Bord geworfen, indem man Rechtsbeistand vor Gericht möglichst erschwert. Wir wenden uns vehement gegen diese menschenverachtende Politik. Man bekämpft die extreme Rechte nicht, indem man ausführendes Organ dieser Politik wird. Das ist widerlich.
Unsere Antwort heißt unbedingte Solidarität mit allen Menschen in Not. Wir fordern ein Ende der Festung Europa, Bleiberecht für Alle, und eine Klare Haltungen gegen Rechts, welche wir auch weiterhin zeigen werden.
Posted: June 7th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Demo am 18.05.2019
Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der Demonstration “Solidarität kennt keine Grenzen!” der Seebrücke Münster:
Die Abschottungspolitik der Festung Europa kommt nicht von irgendwo, sondern folgt der Logik des europäischen Grenzregimes, welches eingebettet ist in die Struktur der globalen, kapitalistischen Gesellschaft, welche die ihr immanenten Krisen nicht bewältigen kann. Nationalistische Migrationspolitik führt zu einer inhumanen Abschottungspolitik. Wertungswidersprüche, welche dem Nationalstaat immanent sind, werden deutlich. Wie zum Beispiel die vielfach betonte Universalität der Menschenrechte im Kontrast zum Sterben an den Grenzen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse. Dies zeigt sich aktuell (und in den letzten Jahren) an mehreren Punkten: Migrant*innen werden nach einer Logik des Ausnahmezustands behandelt und illegalisiert. Aktivist*innen erfahren Repressionen bei ihrer Arbeit; Seenotrettung und solidarische, humane Verhaltensweisen werden kriminalisiert.
Heute möchten wir über diese Kriminalisierung von Seenotrettung sprechen.
Wer auf See einen Notruf oder Kenntnis von einem Unglück erhält MUSS eingreifen und mit eigenem Schiff helfen. Dies ergibt sich u.a. aus verschiedenen Seerechtsübereinkommen wie die Search-and-Rescue-Konvention, die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen, das Internationale Abkommen über Seenotrettung und der EMRK innerhalb ihres Geltungsbereichs sowie Völkergewohnheitsrecht. Seenotrettung ist also ein Muss und nicht rechtlich verhandelbar. Allerdings wird sie zunehmend auf allen Ebenen kriminalisiert:
Was meinen wir mit Kriminalisierung?
Mit Kriminalisierung meinen wir Gesetzesänderungen und die Ausweitung der Auslegung von Gesetzen, die zur Strafbarkeit von Handlungen führt. Diese Gesetzesänderungen finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern sind geprägt von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen vor allem davon welche Politiker*innen an der Macht sind. Es entstehen immer mehr Straftatbestände: z.B. Gefährdung der Sicherheit von Seefahrt und Flughäfen, Spionage, Bildung krimineller Vereinigungen und Gesetze gegen Terror. In Italien findet das Anti- Mafia Gesetz Anwendung. Zum Teil werden Telefone abgehört und Bankkonten gesperrt. Diese Verschärfungen sind Reaktion auf einen vermeintlichen Rechtsruck und eine konsequente Abschottungspolitik. Auf verschiedensten Ebenen wird Seenotrettung behindert unter Ausnutzung von strukturellen bis zu praktischen Gegebenheiten u.a. durch die Politik der Friedensnobelpreisträgerin EU.
Ohne Zuordnung zu einem Flaggenstaat darf kein Schiff auslaufen. Momentan ist es so gut wie unmöglich ein Schiff in einem europäischen Land anzumelden, wenn der Verdacht besteht dieses werde zur Seenotrettung eingesetzt. Zulassungen werden sogar nachträglich aberkannt, bzw. der Genehmigungsgehalt der vorliegenden Dokumente wird nachträglich geleugnet. Diese Schikane betrifft nicht nur Search-and-Rescue-Schiffe, sondern auch solche, welche ausschließlich zur Beobachtung und Dokumentation auf dem Mittelmeer kreuzen. Wenn die systematische Verletzung von Menschenrechten auf dem Mittelmeer (und in lybischen Lagern) nicht mehr dokumentiert werden kann, wirkt es nicht ganz so scheinheilig, wenn Salvini, Seehofer und CO. das europäische Grenzregime ausbauen wollen und die Notwendigkeit privater Seenotrettung abstreiten.
Schiffe werden nicht nur am Auslaufen, sondern auch am Einlaufen gehindert. Mit der Mare Jonio wurde im März erstmals einem italienischen Schiff die Einfahrt in einen italienischen Hafen verwehrt. Auch der Aquarius wurde im letzten August mit 141 Geretteten an Bord ein sicherer Hafen verwehrt. Von der Sea Watch 3 konnten diese Woche 18 gerettete Personen das Schiff verlassen, für 47 wird weiter gekämpft.
Schiffe werden beschlagnahmt, mit der Begründung nur eine geringe Anzahl von Menschen fassen zu können und am erneuten Auslaufen gehindert. Nachträglich. Nachdem sie einige Jahre ungehindert gefahren sind und hunderte Menschenleben retten konnten. Ein weiterer Grund aus dem Schiffe beschlagnahmt werden, ist die Verhinderung der Begehung von Straftaten, da gegen die Crewmitglieder wegen Beihilfe zur illegalen Grenzüberschreitung ermittelt wird.
Allein 2018 wurden insgesamt 99 Menschen aufgrund ihrer Hilfeleistungen angeklagt oder verurteilt (2017 waren es noch 45 Personen). Teilweise wird ihnen auch Menschenschmuggel vorgeworfen und mit Schleppern zusammenzuarbeiten. Klare Beweise für diese Vorwürfe konnten in keinem der Gerichtsverfahren vorgelegt werden.
Erst diesen Dienstag wurde Kapitän Reisch von der Lifeline zu 10.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Aufgrund des Vorwurfs er habe sein Schiff nicht ordnungsgemäß gemeldet und die maltesischen Gewässer illegal durchschifft.
Nicht nur in Deutschland werden die möglichen Repressionen gegen Aktivist*innen in Form der vielerorts verschärften Polizeigesetze ausgeweitet, politischer Aktivismus zunehmend kriminalisiert und erschwert. Auch Salvini in Italien sieht in seinem neuen Gesetzentwurf, welcher unter anderem auch die Entscheidungshoheit über die Öffnung der Häfen alleinig dem Innenministerium, also ihm, zuteilen will, ein Verschärftes Vorgehen gegen Aktivist*innen und Demonstrant*innen vor, welche den Anweisungen der Polizei nicht Folge leisten.
Und trotz der Kriminalisierung jener Verhaltensweisen, gibt es immer mehr solidarische Aktionen. So auch heute. Bürger*innen-Aktionen sind die Antwort auf die große Zahl an Todesfällen und die Gefahren des europäischen Grenzregimes. Gesetze und Praktiken der EU, die zum Widerstand führen, werden und müssen weiter hinterfragt und angezweifelt werden.
Menschenleben auf hoher See werden zum Spielball europäischer Grenzpolitik!
Seenotrettung ist keine kriminelle Handlung, sondern eine lebensrettende Notwendigkeit!
Humanitäre, lebenswichtige Hilfe in Form der Seenotrettung ist für uns untrennbar verbunden mit einer Kritik an den bestehenden Verhältnissen, welche einem kapitalistischen Machtgefälle unterliegen. Allein die Tatsache, dass es ein zur Diskussion stehendes Politikum ist, Leben zu retten, reicht aus um das bestehende System der Grenzen und der Ausbeutung zu hinterfragen. Doch dies scheint jenen, die die Praxis der Abschottung als legitim erachten nicht auszureichen. Vielmehr sollen jene, welche diese inhumane und zutiefst widerliche Praxis hinterfragen, daran gehindert werden ihre Solidarität mit Menschen zeigen zu können. Es stellt eine Perversion dar, Seenotrettung zur politischen Disposition zu stellen.
Wir fordern die Einrichtung von legalen und sicheren Fluchtrouten nach Europa. Wir fordern einen Stopp der EU- Förderung von autoritären Regimen und Milizen, durch die Menschen sich gezwungen sehen ihr Leben auf dem Weg nach Europa aufs Spiel zu setzen und wenden uns grundlegend gegen das kapitalistische Herrschaftssystem. Wir fordern ein sofortiges Ende der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung, die Einrichtung einer europaweiten, staatlichen Rettungsmission, sowie die Förderung der zivilen Seenotrettung! Wir fordern, eine aufrichtige Politik, Städte der Zuflucht, Humanität, Verteidigung der Menschenrechte und unbedingte Solidarität.
Gegen die Festung Europa! Seenotrettung ist kein Verbrechen!
Posted: April 16th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Vortragsreihe “Grenzkritik – Abschottung, Migration & Menschenrecht” mit Seebrücke Münster
Wir sehen Ausdrücke aktiver Solidarität mit Migrant*innen: von den Seenotrettungs-NGOs über öffentlichkeitswirksame Bewegungen wie Seebrücke und We’ll come United bis zu den vielen Initiativen gegen Abschiebungen. Sie alle bewegen sich vor einem politisch-gesellschaftlichen Hintergrund, der eine nicht immer bewusste politische Relevanz dieser Initiativen ausmacht.
Es lassen sich dabei einige Grunddynamiken feststellen:
Gründe zu fliehen, nehmen nicht ab. Diese sind vielmehr nicht zu trennen von der Struktur der globalen kapitalistischen Gesellschaft und von den neoliberalen Versuchen, die ihr immanenten Krisen zu bewältigen. Was zunimmt sind dagegen Praktiken der Abschottung, der Internierung, der Deportation. Der Ursprung der Fluchtgründe und die Lösung der Problematik werden in einem „außen“ verortet, das es so nicht gibt. Wenn versucht wird, sich für Migrationsbewegungen zu öffnen, dann nur unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit. Nicht selten werden Interessen von Migrant*innen gegen Interessen wirtschaftlich bedrohter Schichten hierzulande abgespielt.
Die nach rechts gerichtete Migrationspolitik in den EU-Staaten hat in mehreren Anläufen versucht, die territorialen Grenzen auch als Grenzen des Rechtsstaates und der Verankerung der Menschenrechte auszulegen und auszubauen. Migrant*innen sollen zunehmend gemäß einer Logik des Ausnahmezustands behandelt werden. Damit steht letztendlich die Anerkennung ihrer Lebenswürdigkeit zur Disposition. Gleichzeitig wird nach innen zunehmend Repression gegen Aktivist*innen und Solidaritätsinitiativen ausgeübt. Diese Politik begleitet den diskursiven Rechtruck, der eine Figur des Anderen als eindringliche Bedrohung konstruiert. Teil dieser Diskursverschiebung ist die Perversion des Begriffes „Rechtsstaat“: statt die Bindung der Staatsgewalt an das Gesetz, wird damit die Durchsetzung des Gesetzes mit aller Gewalt von Seiten des Staates gegen Individuen gemeint. So werden etwa illegalisierte Migrant*innen durch ihre bloße Präsenz als Gefährder*innen des Rechtsstaates dargestellt. Zugleich versuchen Staaten, rechtsfreie Räume zu schaffen bzw. zu expandieren und internationales Recht zu brechen. In einigen Fällen setzt sich die Exekutive sogar schlicht über Gesetze hinweg (Salvini).
In der Debatte gewinnt der Rekurs auf „Menschenrechte“ eine zentrale Rolle. Zum einen erlebt man einen Angriff auf Freiheit und Gleichheit mit ausdrücklicher Härte. Es gilt, den erreichten Status Quo und die noch gegebene Hegemonie der Menschenrechte zu verteidigen gegen eine sich stärkende Regression. Zum anderen zeigen gerade Flüchtende, dass diese Gesellschaft und insbesondere die europäischen Staaten ein strukturell widersprüchliches Verhältnis zu Menschenrechten pflegen: nicht nur, weil die Partikularität des Nationalstaats der Universalität der Menschenrechte widerspricht, sondern auch weil der bürgerliche Staat nicht zu trennen ist von der Durchsetzung und Aufrechterhaltung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse. Diese bringen allerlei Privilegien hervor, die auf zufälligen Eigenschaften basieren und gemäß der Logik der Menschenrechte eigentlich keinen Bestand haben können.
Daran anschließend möchten wir einige Fragen stellen:
Wie funktioniert das Europäische Grenzregime? Wo sind Widersprüchlichkeiten und Brüche zu erkennen? (Wie) können diese strategisch für den Kampf um Menschenrechte genutzt werden? Wie kann sich auf Menschenrechte berufen werden, im Wissen darum, dass diese in den bestehenden Verhältnissen keinen festen Grund haben, sondern stets umkämpft und selber Ort der Austragung von Kämpfen sind? Welche Rolle können individuelle Rechtsverfahren einnehmen?
Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang einzelnen Städten zu? Können sie so etwas wie einen „Paradigmenwechsel“ begründen indem sie „das Nationale von innen und von unten herausfordern“ und darin Migration als Kraft gesellschaftlicher Veränderung freisetzen?
Inwiefern können Migrationen als autonome soziale Bewegung, die auf strukturelle Widersprüche und Dynamiken des Kapitalismus reagiert verstanden werden? Erst eine solche Auffassung ermöglicht es, den Kampf gegen das Grenzregime als Teil einer umfassenderen Transformation zu verstehen. Wie lässt sich eine Hierarchisierung der sozialen Kämpfe und der Kämpfe für Rechte vermeiden?
Posted: December 15th, 2018 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Bündnis Polizeigesetz NRW stoppen! bestürzt über Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes
+++ Bündnis Polizeigesetz NRW stoppen! bestürzt über Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes
+++ Beschneidung von Grund- und Freiheitsrechten wird zementiert
+++ Protest gegen das Polizeigesetz NRW und etwaige Folgeprojekte soll weitergehen
Im breiten gesellschaftlichen Bündnis „Polizeigesetz NRW stoppen!“, welches das Gesetzesvorhaben seit dem Sommer kritisch begleitet und durch zahlreiche Aktionen und Demonstrationen auf die Verschärfungen aufmerksam machte, reagierte man empört über die Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes: „Warum bedarf es zwei Expert*innen-Anhörungen und 8 Monaten Protest, damit die Landesregierung minimalen rechtsstaatlichen Anforderungen wie anwaltlicher Vertretung in wochenlanger Haft Rechnung trägt,“ fragt sich Sabine Lassauer, Sprecherin des Bündnisses. „Die Änderungen bleiben rein kosmetischer Natur, an der Substanz hat sich auch laut des Innenministers Reul nichts geändert – es bleibt eine krasse Verschärfung des Polizeigesetzes.“
Auch nach der Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes für NRW bleibt das Bündnis bei seiner Kritik: Die Verschärfung ist ein nicht hinnehmbarer Angriff auf die Freiheit und steht in deutlich sichtbarem Widerspruch zu einer offenen Gesellschaft. Trotz umfangreicher Kritik von Sachverständigen und Zivilgesellschaft stimmen nicht nur die Regierungsfraktionen von CDU und FDP für das Gesetz, auch die SPD als größte Oppositionsfraktion knickte auf den letzten Metern ein und gab ihre Zustimmung.
Am vergangenen Samstag hatte es erneut breiten, kreativen Protest gegen die Verschärfungen gegeben. Dazu kamen auf einer landesweiten Demonstration in Düsseldorf über 5.000 Menschen zusammen. In verschiedenen Themenblöcken gingen die betroffenen Datenschützer*innen, Politiker*innen und Umweltaktivist*innen, Antifaschist*innen und Migrant*innen, Kurd*innen und Gewerkschafter*innen, Feminist*innen, Jurist*innen und Fußballfans gemeinsam auf die Straße, um ihren Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben der Landesregierung und die Unvereinbarkeit mit ihren Grundrechten zum Ausdruck zu bringen.
„Auch nach den Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfes bleiben erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. So scheint unter anderem die Ausweitung des Polizeigewahrsams zur Identitätsfeststellung auf sieben Tage mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Der nächste Schritt ist daher die Prüfung einer Verfassungsbeschwerde.“, so Saskia Piotrowski, Sprecherin des Bündnisses.
Das Bündnis kündigt an, dass weiterhin mit ihrem Widerstand zu rechnen sein wird. „Der Protest gegen Gesetzesverschärfungen wie diese wird mit der Verabschiedung nicht verstummen. Wir haben ein schlagkräftiges Bündnis auf die Beine gestellt und werden weiter zusammenarbeiten. Zudem werden wir uns gegen weitere bereits geplante autoritäre Gesetzespakete wehren.“ erklärt abschließend Stefan Kottas, Sprecher des Bündnisses.
Bündnis Polizeigesetz NRW stoppen! bestürzt über Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes
Posted: December 9th, 2018 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on 10.000 demonstrieren in Düsseldorf und Hannover gegen neue Polizeigesetze
+++ Landesweite Demos in Düsseldorf und Hannover gegen Polizeigesetze: Über 10.000 Teilnehmer*innen
+++ Marginaler Umbau des Gesetzes in NRW weiterhin unvereinbar mit freiheitlich-demokratischer Gesellschaft
+++ Betroffenen- und Themengruppen stellen Auswirkungen in kreativer Choreographie verschiedener Demonstrationsblöcke dar
08. Dezember 2018 – In Düsseldorf und Hannover gingen mitten im Weihnachtstrubel trotz trüben Wetters nochmals über 10.000 Menschen auf die Straße, um gegen die neuen Polizeigesetze in NRW und Niedersachsen zu demonstrieren.
Eine Vielfalt von Gruppen und Organisationen stellte in NRW einen bunten Protest auf die Beine, um ihren Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben der Landesregierung und die Unvereinbarkeit mit ihren Grundrechten zum Ausdruck zu bringen. Unter den 5.000 Demonstrant*innen in Düsseldorf sind Fußballfans und Datenschützer*innen, Politiker*innen und Umweltaktivist*innen, Antifaschist*innen und Migrant*innen, Kurd*innen und Gewerkschafter*innen, Feminist*innen, Jurist*innen und viele mehr gehen gemeinsam auf die Straße, um ihre Freiheit und Grundrechte zu verteidigen:
Kerstin Demuth (Digitalcourage e. V.) aus dem Block für Datenschutz und gegen Überwachung kommentiert: „Keine freie, demokratische Gesellschaft kann ohne Privatsphäre existieren. Wer Wissen über uns hat, hat Macht über uns. Das Recht auf Privatsphäre soll mit dem neuen Polizeigesetz bis zur Unkenntlichkeit beschnitten werden: Videoüberwachung, Staatstrojaner und Aufenthaltskontrollen sind Gift für eine freie, demokratische Gesellschaft.“
“Nach der angeblichen Änderung hat sich so gut wie nichts geändert: Noch immer können Menschen auf unabsehbare Zeit eingesperrt werden, weil die Polizei glaubt, dass sie in Zukunft vielleicht irgend etwas machen.”, kommentiert Rechtsanwalt Christian Mertens vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein RAV in Düsseldorf.
Fotis Matentzoglou, Landesvorstand DIE LINKE NRW vom antirassistischen Block ergänzt: “Durch das neue Polizeigesetz ist unsere offene Gesellschaft bedroht. Diskriminierung gegenüber Migrantinnen und Migranten wird per Gesetz zementiert. Racial profiling wird legitimiert und mit repressiven Maßnahmen ausgebaut.”
Das breite Bündnis machte mit Redebeiträgen, Straßentheater und Trommel-Klängen lautstark auf die Gefahren für die Demokratie und die Gesellschaft aufmerksam. Es verdeutlicht, dass vom neuen Polizeigesetz alle Menschen betroffen sind. Aus dem benachbarten Niedersachsen, wo in Hannover über 6.000 Personen auf die Straße gingen, wurde ein Grußwort verlesen, das fordert: “Nein zu Überwachung und Kontrollwahn, Nein zum neuen Polizeigesetz – und Ja zu einem sozialen und solidarischen Miteinander”.
“Demokratische kurdische Zivilorganisationen werden pauschal zum Abschuss freigegeben und einer unbeschreiblichen Repression durch Polizei und Behörden ausgesetzt.”, kritisiert Ayten Kaplan aus dem Block gegen die Verbote von Symbolen. “Wir müssen ein Bewusstsein in der Gesellschaft schaffen um die Gesetzesverschärfungen und somit das Eindringen des Staates in die Freiheitsbereiche jedes Einzelnen sowie der Gesellschaft zu verhindern. Wir bündeln unsere Kräfte und sind solidarisch untereinander, um gemeinsam gegen die Repressionspolitik vorzugehen.”
“Die Einführung der neuen Polizeigesetze ist als ein Ergebnis des Rechtsrucks zu sehen. Dadurch bietet sich auch für autoritäre und rassistische Tendenzen in der gesellschaftlichen Mitte die Möglichkeit, sich wieder offen zu zeigen und politische Wirksamkeit zu suchen.” konstatiert Jan Sperling vom Linksradikalen Block gegen Rechtsruck.
Ein Sprecher der Kölner Fußball-Fanszene fügt hinzu: “Fußballspiele werden schon lange als Testfeld für Sicherheits- und Repressionsmaßnahmen genutzt. Wöchentliche Meldeauflagen und Betretungsverbote für ganze Städte gehören für die Fanszenen längst zum Alltag, ebenso wie Hausdurchsuchungen, abgehörte Telefone oder Schauprozesse. Es reicht uns einfach! Wir wollen in einem freien Land leben und nicht in einem paranoiden Überwachungsstaat!”
Das Bündnis knüpft an die zahlreichen Aktionen und Proteste gegen das Polizeigesetz in NRW im Sommer sowie die Proteste in anderen Bundesländern gegen die dortigen Verschärfungen an. Im Juli hatten 20.000 Demonstrant*innen in Düsseldorf gefordert, das neue Polizeigesetz für NRW zu stoppen. Nach der Änderungsvorlage im Oktober bildete sich wieder vielfältiger Protest: Von Siegen bis Paderborn fanden Demonstrationen statt, in Bonn gab es eine Aktionswoche gegen das neue Polizeigesetz, es fanden unzählige Info-Veranstaltungen und kreative Aktionen statt.
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