MACHT.RECHT.GESELLSCHAFT?

2021

Valeria Hänsel – Extraterritoriale Infrastrukturen der Abschottung. Moria als Blaupause für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.  
27. Januar 2021, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 20 Uhr

Die griechischen Hotspot-Inseln an der Europäischen Außengrenze in der Ägäis nehmen eine Sonderrolle im Europäischen Asylsystem ein. Auf den Inseln haben sich Sonderrechts-Zonen herausgebildet, in denen Schutzsuchende über Jahre in menschenunwürdigen Lagern festgehalten werden, was einer Verelendungsstrategie gleichkommt. Das Asylsystem, das als Folge des EU-Türkei Deals entstand, ist seit Jahren dysfunktional, Europäischen Agenturen wie FRONTEX und EASO, die auf dem Papier die Wahrung von Menschenrechten sicherstellen sollen, sind tief in die Rechtsverletzungen verstrickt. Die Europäische Kommission drückt jedoch beide Augen zu hält eisern am Hotspot-Prinzip fest. Nachdem das Lager Moria im September vollständig abbrannte, wurde in rasantem Tempo ein neues Lager errichtet, in dem die Zustände noch katastrophaler sind als zuvor. Der Vortrag beschreibt die Entwicklungen auf den griechischen Inseln seit Einführung des EU-Türkei-Deals und zeigt daran aktuelle Tendenzen der Europäischen Migrationsmanagement-Strategie auf.

Daniel Mullis – Urbane Grenzziehungen. Polarisierte Städte.  
10. März 2021, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 20 Uhr

Städte sind Orte der Polarisierung. Sie sind umkämpfte Terrains: ökonomisch, sozial und ökologisch. Die Erfahrungen von Polarisierung sind hierbei vielschichtig: Polarisierung zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen „uns hier unten“ und „denen da oben“, zwischen den sozialen Klassen vor Ort aber auch zwischen den vermeintlich etablierten und den neu zugezogenen. Städtische Grenzen können in diesem Gefüge klar und deutlich, bisweilen aber eher durch „feine Unterschiede“ markiert sein. Grenzziehungen manifestieren In- und Exklusionsprozesse entlang von class, race, gender und deren Verständnis ist daher für eine kritische Betrachtung der Gesellschaft zentral. Recht auf Stadt ist hierbei eine Perspektive der progressiven Transformation.
Dr. Daniel Mullis ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Er wurde 2017 mit der Arbeit “Krisenproteste in Athen und Frankfurt. Raumproduktionen der Politik zwischen Hegemonie und Moment” am Institut für Humangeographie der Goethe-Universität Frankfurt/M promoviert. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen darüber hinaus die Themen soziale Bewegegungen, Rechtspopulismus, Regionale Ungleichheiten und Stadtentwicklung.

 

2020

Hanah Abucar: Rassismus im Recht – Die Konstruktion eines ‘Anderen’ in den Integrationsgesetzen
22. Januar 2020, Hörsaal H3 (Schlossplatz 46, Münster), 19 Uhr

Das Integrationsrecht hat eine Doppelfunktion: zum einen soll es Ausschlüssen entgegenwirken, zum anderen (re-)produziert es sie auch. Gesellschaftliche und rechtliche (rassistische) Ausschlüsse bleiben wenig beachtet. Stattdessen wird in neoliberaler Logik die Leistung der sich zu Integrierenden in den Vordergrund gestellt. Doch schon die Wortwahl Integration suggeriert eine homogene Dominanzgesellschaft, in die sich die „Anderen“ einpassen sollen.
 
Integration ist ein ebenso viel diskutierter wie ungenauer Begriff im Migrations-(folgen-)recht. Der Vortrag wird der Frage nachgehen, wie die Landesintegrationsgesetze Migrant*innen und Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund zu einer homogenen Gruppe der “Anderen” bestimmen, die (potenziell) integrationsbedürftig ist. Dabei wird das “Eigene” als Norm bestimmt, aus deren Perspektive die Integrationsziele und -indikatoren aufgegeben werden. Doch schon die Konstruktion und Exklusion der “Anderen” ist Ausgangspunkt von Diskriminierung. Wird dabei als Gegenstück zum „christlichen Westen“ wird der „islamische Orient“ konstruiert, stehen die Bilder in postkolonialer Tradition.

Sebastian Nitschke – Rassismus durch den Rechtsstaat. Abschiebehaft als Ausschlussinstitution.
24. April 2020, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 19 Uhr

Die Institution Gefängnis ist historisch gesehen sehr jung und doch ist sie schon so tief im Bewusstsein eines Einzelnen verankert, dass sich kaum jemand eine Welt ohne sie vorstellen kann. Kindern wird von klein auf das Schema „gute Polizei/böse Verbrecher“ vermittelt, was nur sehr selten im Laufe der Sozialisation korrigiert wird. Gefängnisse kennen alle und die meisten „wissen“, dass dort die „Bösen“, die „böses“ getan haben, eingesperrt werden. Was die meisten Menschen nicht wissen, ist, dass zum Beispiel in Deutschland rund 7 000 Menschen jährlich im Gefängnis sitzen, weil sie keinen akzeptierten Fahrschein in öffentlichen Verkehrsmitteln vorweisen konnten. Ebenso dürfte nur ähnlich wenigen Menschen bewusst sein, dass Personen nicht wegen einer strafrechtlichen Verurteilung in Abschiebegefängnissen inhaftiert werden, sondern einzig aus dem Grund, sie aus dem Land zu schaffen und diesen Vorgang zu erleichtern.

Sebastian Nitschke ist seit 2017 politisch aktiv gegen das Abschiebegefängnis Darmstadt und forschte 2019 zu Gerichtsakten von Fällen aus der Abschiebungshaft im westfälischen Büren. Diese wurden mit Theorie und Methodik der Kritischen Sozialen Arbeit und der Kritischen Kriminologie untersucht. Im Vortrag soll so chronologisch der Weg von der Festnahme, über die Gerichtsverhandlung und schließlich zum Beschwerdeverfahren rekonstruiert werden. Die Akten dienen als Schlüssel zur Erschließung der institutionellen Ordnung Abschiebungshaft und deren Ausschlussmechanismen.

Maximilian Pichl – Die Grenzen des Rechtsstaats an Europas Grenzen.
04. Mai 2020, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 19 Uhr

Anfang diesen Jahres setzte die griechische Regierung für einen Monat das Asylrecht aus – die Empörung darüber war in ganz Europa groß. Dieser Fall ist aber nur ein besonders krasses Beispiel einer allgemeinen Tendenz in der Europäischen Grenzpolitik: Seit Beginn der Europäisierung der Migrationskontrollen wollen die EU-Innenminister*innen die Grenze als eine Institution der Entrechtlichung einrichten. Auf diese Weise soll Geflüchteten der Zugang zum Recht versperrt werden. Der Vortrag behandelt diesen Aspekt der EU-Grenzpolitik aus einer gesellschaftskritischen Perspektive. Anhand praktischer Beispiele wird der grundsätzlichen Frage nachgegangen, wie die Grenzpolitik mit dem Prinzip der Europäischen Rechtsstaatlichkeit zusammenhängt und welche Handlungsmöglichkeiten für eine pro-migrantische Gegenstrategie zur Verfügung stehen.

Maximilian Pichl ist Rechts- und Politikwissenschaftler. Er forscht an den Universitäten Kassel und Frankfurt am Main und ist Mitglied im Vorstand des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Nora Keller – Die soziale Konstruktion sog. „gefährlicher Orte“. Ausschluss und Stigma durch Kriminalisierung.
18. Juni 2020, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 19 Uhr

Kriminalisierung ist das Labeln von Handlungen oder Personen als kriminell oder potentiell kriminell. Für die Kriminalisierten bedeuted das in der Regel sozialen Ausschluss und Stigmatisierung. An sogenannten „Gefahrengebieten” hat die Polizei die spezielle Befugnis, alle sich dort aufhaltenden Personen ohne Anlass zu kontrollieren und stellt somit alle Menschen an diesen Orten unter den Generalverdacht, potentiel kriminell zu sein.

Nora Keller stellt am Beispiel des Kottbusser Tors in Berlin dar, wie dort polizeiliches Handeln, Rassismus und neoliberale Stadtpolitik zu sozialen Segregationen führen.

Lisa Doppler – Zwischen Solidarität und Widerstand. Antirassistische Perspektiven auf Solidarität im Dialog mit geflüchteten Aktivist*innen. 
01. Juli 2020, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 19 Uhr

Früher war in (linken) politischen Kontexten Solidarität ein wichtiger Begriff, ob als Klassensolidarität des Proletariats oder als internationale Solidarität der Unterdrückten weltweit. In neueren und neuesten sozialen Bewegungen stellt sich die Frage nach Solidarität weiter und neu: Wer soll wie mit wem solidarisch sein? Wie kann eine heutige Praxis der Solidarität begründet werden, die den alten Begriff mit neuen Inhalten füllt? Welche solidarischen Praxen werden derzeit diskutiert und ausprobiert? Was steht hinter der Idee der Solidarischen Netzwerke? Diese Fragen werden am Beispiel antirassistischer Solidarität mit Bezug auf Sozialphilosophie und Aussagen geflüchteter Aktivist*innen diskutiert.

Lisa Doppler ist aktiv bei Solinet Hannover und promoviert an der Justus-Liebig-Universität Gießen zur Refugee-Bewegung im Dialog mit Herbert Marcuse.

Guiseppe Platania – Exploitation and Resilience in Sicilian Refugee Camps – From
deportability towards self-empowerment.

24. November 2020, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 20 Uhr

Giuseppe Platania studierte ab 2018 an der Universität von Nijmwegen den  humangeographischen Masterstudiengang „Europe: Borders, Identity and  Governance“. In Kürze wird er eine PhD-Stelle an der Fakultät Political Science and  Sociology an der Scuola Normale Superiore (Pisa/Firenze) antreten und zu  “Asylum system exploitation – Generation of irregulars” (Arbeitstitel)  forschen.

Seit 2018 arbeitet Giuseppe auch für Borderline Sicily  (https://www.borderlinesicilia.it/en), eine Grenzüberwachungs-NGO.
Während dieser Arbeit besuchte er die sizilianischen Häfen und CARAs und  begann seine Forschungen über die Situation der Flüchtlinge im Cara  Mineo. Insbesondere konzentrierte er sich auf die Ausbeutung von  Arbeitskräften durch mafiaähnliche Strukturen in der saisonalen  Feldarbeit. Anfang 2020 schloss er sein Studium mit der Arbeit „Movement
of Escape – An analysis of the CARA of Mineo“ erfolgreich ab. Darin  untersucht er das Erstaufnahmezentrum Mineo (Sizilien) hinsichtlich  seiner Lebens- & Arbeitsbedingungen, sowie der Selbstorganisation &  Ermächtigung der dort lebenden Geflüchteten. Die CARA Mineo war bis zu  ihrer Schließung im Sommer 2019 die zweitgrößte Aufnahmeinstitution der  EU (nach Lesvos).

Norma Tiedemann – Neue Munizipalismen in Südosteuropa: mit, in, gegen den Staat? 
09. Dezember 2020, Youtube-Kanal Münster Digital Radikal, 20 Uhr

Nicht nur in Spanien gründeten sich nach den Protesten 2011/12 in Reaktion auf das autoritär-neoliberale Krisenmanagement neuartige Zusammenschlüsse von Bewegungsakteur*innen und Parteien auf städtischer Ebene – die munizipalistischen Listen, die vielfach einen Brückenschlag zwischen Bewegung und Staat auf lokaler Ebene herstellen konnten. Sie gelangten in die Rathäuser von Madrid, Barcelona und vielen mehr. Auch in der ehemaligen jugoslawischen Region entschlossen sich Menschen nach verschiedenen Protesthöhepunkten dazu, die Stadtparlamente zu einem strategischen Ort der Auseinandersetzung zu machen und gründeten munizipalistische Plattformen: Zagreb je NAŠ! und Ne da(vi)mo Beograd. Während es der Zagreber Plattform 2017 gelang, in die Nachbarschafts- und Bezirksräte sowie das Stadtparlament gewählt zu werden, scheiterten Ne da(vi)mo Beograd 2018 an der 5%-Hürde und dem mit allen Mitteln medialer Kontrolle und Repression geführten Wahlkampf.

Was treibt soziale Bewegungen dazu sich auf die lokale Ebene bzw. den urbanen Raum zu fokussieren und ganz explizit die staatlichen Apparate in die Zange nehmen, sie sogar „übernehmen” zu wollen? Kann der Staat ein Terrain von emanzipatorischen Kämpfen sein, der über die Teilnahme an Wahlen von seinem demokratischen Zentrum her – dem Parlament – grundlegend verändert wird? Der Vortrag zeichnet die Entstehungsbedingungen der beiden Initiativen im Kontext einer größeren „munizipalistischen Welle” nach und fragt nach den Chancen und Grenzen einer solchen Strategie im Lichte materialistischer Staats- und radikaler Demokratietheorie.

Norma Tiedemann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Politische Theorie der Universität Kassel und arbeitet an ihrer Dissertation über autoritäre Staatlichkeit und munizipalistische Gegenbewegungen in Zagreb, Kroatien und Belgrad, Serbien. 2018, 2019 und 2020 führte sie Interviews mit den Aktivist*innen der beiden Plattformen. Sie ist außerdem aktiv bei Uni Kassel Unbefristet für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft und bei Feminism Unlimited*Kassel (FU*K).

2019

Fabian Georgi: Zur Kritik der Grenze. Migrationskontrolle und Kapitalismus aus materialistischer Sicht
25. April 2019, Hörsaal F4 (Domplatz 20-22, Münster), 19 Uhr

Die gegenwärtigen Tendenzen in den Migrationsregimen Europas und der USA laufen auf einen autoritären Festungskapitalismus hinaus: Während ein großer Teil der Weltbevölkerung, ungleich verteilt, in Elend und Perspektivlosigkeit lebt, sind Europäische Kommission, EU-Regierungen und Trump-Administration bemüht, ihre Inseln relativen Wohlstands repressiv und festungsgleich nach innen und außen abzusichern.

Der Vortrag analysiert diese Tendenzen aus der Perspektive kritischer Staatstheorie und materialistischer Grenzregimeanalyse. Im Mittelpunkt steht die Frage, auf welche Weise Migrationspolitik und kapitalistischer Ökonomie verflochten sind: Auf Basis welcher gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen agiert die deutsche Regierung seit dem ›Sommer der Migration‹ 2015? Welche Interessen stehen hinter der Regulation von Migrationsbewegungen, um die so heftig gekämpft wird?

Der Vortrag zeigt, wie Migrationspolitiken durch widersprüchliche Verhältnisse bestimmt werden. Einerseits macht eine materialistische Kontextualisierung deutlich, dass Migration und Flucht häufig eigensinnige Reaktionen auf kapitalistische Krisenprozesse sind, Ausdruck der Weigerung von Menschen, deren negative Folgen für sich zu akzeptieren. Zugleich dienen die oft scheiternden Versuche, Migration zu steuern, der Regulierung des globalen Arbeitsmarktes, also der Optimierung von Wachstum und Verwertung. Der gegenwärtig an Kraft gewinnenden Impuls zu Restriktion und Abschottung entsteht aus Rassismus und aus dem strukturellen Chauvinismus national organisierter Sozialsysteme.

Christian Mertens: Rechtsstaat gegen Rechts-Staat. Gesetzesverschärfung und Kriminalisierung von Aktivist*innen
13. Mai 2019, Hörsaal JO 1 (Johannisstr. 4, Münster), 19 Uhr

Christian Mertens ist Rechtsanwalt in Köln mit dem Schwerpunkt Strafrecht (Fachanwalt). Er vertritt grundsätzlich Mandant*innen in Rechtsstreitigkeiten, in denen in Freiheitsrechte eingegriffen wurde, darunter Betroffene von polizeilichen Maßnahmen auf Grundlage des Polizeigesetzes, das in NRW im Dezember 2018 verschärft wurde. In der Vergangenheit hat Christian Mertens bereits Vorträge zur Änderung des Polizeigesetzes gehalten.

In dem Vortrag soll es um aktuelle Entwicklungen und deren Kontextualisierung im Rahmen präventiven sowie repressiven Verhaltens der Polizei und der Betroffenheit von Aktivist*innen gehen (z.B. Änderung der Straftatbestände der §§ 113, 114 StGB, Verschärfung der Polizeigesetze in mehreren Bundesländern). Konkret Bezug genommen wird u.a. auf die ersten Anwendungsfälle z.B. im Hambacher Wald.

Mario Neumann: Jenseits der Gewalt des Nationalen. Solidarische Städte als utopische Praxis
11. Juni 2019, Hörsaal JO 1 (Johannisstr. 4, Münster), 19 Uhr

«Solidarische Städte» sind mehr als eine kommunalpolitische Antwort auf globale Migrationsbewegungen. Als konkrete Utopien können sie eine Antwort auf die Krise der politischen Linken bieten – weil sie das Nationale von innen und von unten herausfordern. Darin kann Migration als Kraft umfassender gesellschaftlicher Transformation sichtbar gemacht werden. Aber was genau ist eine Solidarische Stadt und kann sie mehr sein als ein dem Nationalstaat untergeordneter politische Raum?

Stefania Maffeis: Migration als Menschenrecht? Überblick über die Debatte in Europa
26. Juni 2019, Hörsaal JO 1 (Johannisstr. 4, Münster), 19 Uhr

Die gegenwärtige Abschottungspolitik der Europäischen Union geht mit einem allgemeinen Erosionsprozess minimaler menschenrechtlicher Standards einher. Der erschwerte Zugang zu italienischen Häfen für die zivile Seenotrettung und die Kriminalisierung der Seenotretter*innen beispielsweise verstößt gegen die Menschenrechte und das internationale Seerecht.

Gleichzeitig wächst die Debatte um eine Anerkennung der globalen Bewegungsfreiheit als Menschenrecht. Sie wird oft polarisierend geführt und auf zwei Hauptlinien reduziert: Während die eine individuelle universale Rechte auf Schutz und Leben verteidigt, fokussiert die andere staatliche Mechanismen zur Wohlfahrtregulierung und plädiert für mehr Migrations- und Grenzkontrolle.

In ihrem Vortrag analysiert Stefania Maffeis einige zentrale Stränge und Zirkulationswege der Diskussionen im philosophischen, rechtswissenschaftlichen und soziologischen Feld in den europäischen Kernländern Deutschland, Italien und Frankreich sowie im angloamerikanischen Raum. Ziel ist es, die starre und ausweglos erscheinende Polarisierung zu entschärfen sowie Probleme und Perspektiven auszuloten, die sich um die Frage der Migration als Menschenrecht verdichten, um eine Grundlage der Argumentation für die Entwicklung einer adäquaten linken Positionierung zu schaffen.

Katharina Schoenes: Polizeigewalt und Kriminalisierung als Teil der strukturellen Entrechtung von Geflüchteten
03. Juli 2019, Hörsaal JO 1 (Johannisstr. 4, Münster), 19 Uhr

Seit dem Frühjahr 2018 kam es in Ellwangen, Donauwörth, Bamberg, Waldkraiburg, Deggendorf, Stephansposching und vielen weiteren Lagern für Geflüchtete in Süddeutschland zu großangelegten, brutalen Polizeieinsätzen. Die vorherrschende Berichterstattung rechtfertigt das Vorgehen der Polizei: Sie stellt Bewohner*innen der Unterkünfte als aggressiv dar und schweigt über die Brutalität, die von Polizei und Wachdiensten ausgeht. Menschen, die Opfer von Polizei- und Wachdienstgewalt werden, erfahren darüber hinaus Repressionen durch die Strafjustiz. Staat und Polizei inszenieren sich auf diese Weise als Opfer, während die Geflüchteten zu Täter*innen gemacht werden.

Die Gewalt durch Polizei und Wachdienste ist Teil und Ausdruck einer strukturellen Entrechtung, die Geflüchtete insbesondere in den bayerischen „Anker“-Zentren erfahren. Dublin, ständige Angst von nächtlichen Abschiebungen, Arbeitsverbote, Residenzpflicht, Sachleistungsprinzip, 80-Cent-Jobs, mangelnde Privatsphäre sind einige der Probleme, die ihren Alltag prägen. Gegen diese Zustände haben Geflüchtete in süddeutschen Lagern begonnen sich zu organisieren, um ihre Rechte einzufordern. Ihrem Widerstand wurde und wird mit massiver
Polizeigewalt und Repression begegnet.

Justizwatch kam im letzten Jahr mit geflüchteten Aktivist*innen aus einigen betroffenen Lagern in Kontakt. Der Vortrag basiert auf Gesprächen mit ihnen sowie auf Recherchen und Prozessbeobachtungen vor Ort. Mehr Infos unter justizwatch.noblogs.org und cultureofdeportation.org.

Janika Kuge: Rebellische Städte – Sanctuary Cities und der Nationalstaat
28. Oktober 2019, Hörsaal H2 (Schlossplatz 46, Münster), 19 Uhr

Januar 2017, noch keine Woche im Amt, ließ Donald Trump sogenannten “Sanctuary Cities” per Präsidialverfügung den Zugang zu staatlichen Fördergeldern streichen, weil sie die innere Sicherheit gefährdeten. Laut der Erklärung der Regierung sind Sanctuary Cities Städte, die Kooperationen mit der staatlichen Migrationspolizei (ICE) einschränken. Es gibt tatsächlich sieben Staaten und weit über 500 Städte in den USA, die sich dieser Kooperation verweigern und damit offen in den Widerspruch zur nationalen Regierung treten. Die Städte schützen dadurch vor allem illegalisierte Migrant_innen vor Abschiebungen und ermöglichen ihnen den Zugang zu städtischen Behörden und Institutionen. Trotz der Drohungen aus dem weißen Haus hält der Trend der Rebellion weiter an: seit Januar 2017 hat sich die Anzahl der Städte und Staaten mit Sanctuary-Verordnungen und -Gesetzen weiter gesteigert. Mehr noch: das Konzept findet unter dem Namen “Solidarity Cities” sogar international immer mehr Nachahmer_innen und Sympatisant_innen. Dieser Vortrag möchte das angespannte Verhältnis von Stadt und Nationalstaat in Bezug auf illegalisierte Migration beleuchten und diskutieren. Wie kommt dieser Konflikt zustande? Können Städte anders mit Migration umgehen als Nationalstaaten? Sind Sanctuary Cities ein Zeichen dafür?

Janika Kuge ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Geographie in Freiburg und eine Aktivisitin für ein Recht auf Rechte. Sie promoviert zum Thema Sanctuary Cities und ist gerade von einer Forschungsreise aus Kalifornien und Texas wiedergekehrt.

Daniel Loick: No Border oder Barberei. Rosa Luxemburg und die Krise des Grenzregimes
20. November 2019, Hörsaal H2 (Schlossplatz 46, Münster), 19 Uhr

Vor etwas mehr als einem Jahrhundert diagnostizierte Rosa Luxemburg, dass die Welt an einem Scheideweg stehe: entweder der Übergang zum Sozialismus oder der Rückschritt in die Barberei. Diese absolut binären Optionen waren das Ergebnis einer spezifischen historischen Konstellation sozialer Kräfte, insbesondere des Konflikts zwischen der Expansion der kapitalistischen Akkumulation und der gleichzeitigen Konsolidierung des Nationalstaats.

Der Vortrag wird der Frage nachgehen, was es bedeuten würde, die Frage Luxemburgs für heute neu zu formulieren. Einerseits ist eine ähnliche historische Dynamik zu beobachten wie in Zeiten Luxemburgs, die sich am deutlichsten in der aktuellen Grenzkrise und den Tausenden von Todesopfern im Mittelmeerraum und anderswo zeigt. Auf der anderen Seite erscheint es zu oberflächlich, den luxemburgischen Rahmen einfach als ein ahistorisches Schema zu behandeln, das sich simpel auf veränderte Umstände anwenden lässt. Luxemburg ernst zu nehmen bedeutet, die Prämissen, die ihrer Alternative zugrunde liegen, viel grundlegender zu hinterfragen und so ihre marxistische Darstellung mit feministischen, antirassistischen und postkolonialen Ansätzen zu verbinden.

Julia Schulze Wessel: An den Grenzen von Demokratie und Menschenrechten. Geflüchtete im Grenzraum Europas
11. Dezember 2019, Hörsaal H2 (Schlossplatz 46, Münster), 19 Uhr

Die Veranstaltung muss leider ausfallen.

 

2018

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Das neue Polizeigesetz NRW
06. Juni 2018, Kollektivkneipe Leo: 16 (Herwarthstr. 7, Münster), 20 Uhr

Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW bedient die populistischen Ängste, die sie selbst im Wahlkampf geschürt hat und plant eine heftige Verschärfung des Polizeigesetzes nach dem bayrischen Vorbild. Die bereits bestehenden Befugnisse der Polizei, einzuschreiten bevor überhaupt etwas passiert ist, werden dadurch stark ausgeweitet – auf Kosten der Freiheit aller Menschen.

Wie fügt sich das Vorhaben in den derzeitigen Sicherheitsdiskurs ein? Was kommt da auf uns zu? Was bedeutet der neu eingeführte Begriff der „drohenden Gefahr“? Welche Gefahren ergeben sich daraus wiederum für jede*n Einzelne*n von uns, für unseren Alltag und unsere politische Praxis? Wie reagieren wir auf diese Einschränkung unserer Rechte?

Diese und andere Fragen wollen wir mit euch diskutieren. Wir – das sind der AK Zu Recht und andere Personen, die sich in der Kampagne gegen das Polizeigesetz engagieren. Es ist klar: Die Neuerungen werden uns alle treffen. Klar ist aber auch: Einige werden davon besonders betroffen sein. Diesen Menschen muss unsere Solidarität gelten. #NoPolGNRW

Lesung mit KOP Berlin aus dem Buch “Alltäglicher Ausnahmezustand” und anschließende Diskussion (gemeinsam veranstaltet mit dem Bündnis gegen Abschiebungen)
15. Juni, SpecOps Münster, 18 Uhr

Polizeikontrollen müssen durch tatsächliche Verdachtsmomente begründet sein, das fordern demokratisch legitimierte Regeln und die Rechtsprechung der deutschen und europäischen Justiz. Aber wie ist damit umzugehen, dass oft rassistische Kriterien in der Kontrollpraxis eine Rolle spielen? Wie kommt es dazu? Was macht „Racial Profiling“ mit den Betroffenen? Nur durch eine öffentliche Debatte sehen wir als Veranstalter*innen die Möglichkeit, dass jede*r Einzelne eigene rassistische Denk- und Verhaltensmuster kritisch hinterfragt und damit über Rassismus in individueller, aber auch institutionalisierter Form sprechen kann.

Das Buch „Alltäglicher Ausnahmezustand“ wurde von der Kampagne für Opfer von rassistischer Polizeigewalt (KOP) herausgegeben. Die Gruppe befasst sich unter anderem konkret mit der Polizeipraxis des „Racial Profiling“, der Dokumentation und Aufklärung rassistischer Polizeiangriffe und -übergriffe sowie der Begleitung der Opfer und der Vermittlung zu Beratungsstellen.Die Lesung und Diskussionsveranstaltung soll die Möglichkeit bieten, das Augenmerk auch auf die Situation und den Umgang mit der Thematik in der Stadt Münster zu richten.

An diesem Abend wird es die Möglichkeit einer Übersetzung in englischer, französischer und arabischer Sprache geben.

 

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Das neue Polizeigesetz NRW
19. Juni 2018, Audimax der FH Bielefeld, 19 Uhr

 

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Das neue Polizeigesetz NRW
21. Juni, Unterhaus (Friedrich-Karl-Str. 4, 46045 Oberhausen), 19 Uhr

 

Workshop “Was tun bei rassistischen Polizeikontrollen?” mit KOP Kiel (gemeinsam veranstaltet mit dem Bündnis gegen Abschiebungen)
23. Juni, Kollektivkneipe Leo: 16 (Herwarthstr. 7, Münster), 12:30 Uhr

Kennst Du das? Im Zug oder am Bahnhof, im Park oder mitten in der Stadt – die Polizei kontrolliert nicht-weiße Menschen. Oder Du siehst wie PolizistInnen Menschen schlagen, fesseln und mitnehmen. Du denkst, dass irgendetwas nicht stimmt und Rassismus eine Rolle spielt. Aber vielleicht hat die Kontrolle einen Grund? Vielleicht gab es etwas, was Du nicht mitbekommen hast. Oder vielleicht ist es eine typische „racial profiling“-Situation. Du möchtest eingreifen … aber wie? Du bist unsicher, ob und wie in dieser Situation eingegriffen werden kann. Oder du hast Angst, was passieren kann, wenn du dich mit der Polizei anlegst: Schläge? Verhaftung? Anzeige gegen Dich?

In diesem Workshop thematisieren wir das System rassistischer Polizeigewalt und den alltäglichen Ausnahmezustand für die Betroffenen. Ausgehend von ihren Perspektiven entwickeln wir gemeinsam Schritte praktischer Solidarität. Gemeinsam mit KOP Kiel wollen wir uns Zeit nehmen um Handlungsstrategien zu entwickeln.

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Das neue Polizeigesetz NRW
25. Juni, Café Chaos im Jugendzentrum JuWeL (Bahnhofs. 12, Werne), 19:30 Uhr

 

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Das neue Polizeigesetz NRW
29. Juni, Verdi-Haus (Bismrackstr. 17, Hamm), 18 Uhr

 

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Das neue Polizeigesetz NRW
12. Juli, Infoladen Paderborn (Leostr. 75, 33098 Paderborn), 19 Uhr

 

Kampagne Aktion Standesamt: Es gibt mehr als zwei Geschlechter! Meine 3. Option 
14. Juli, Kollektivkneipe Leo: 16 (Herwarthstr. 7, Münster), 19:30 Uhr

Spätestens seit der bahnbrechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur 3. Option treten die Grundrechte und der Anspruch auf gleiche Teilhabe intergeschlechtlicher und nicht-binärer – sich also weder männlich noch weiblich verstehender – Menschen in den Fokus der Öffentlichkeit. Von der Rechtsordnung werden sie bisher jedoch nicht mitgedacht – das muss sich bis Ende des Jahres durch ein neues Gesetz ändern.

Die Kampagne Aktion Standesamt 2018 engagiert sich für ein queeres Personenstandsrecht, das intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen berücksichtigt und effektiv vor Diskriminierung schützt. Das bundesweite Bündnis aus Trans*, Inter* und queeren Gruppen, setzt sich sowohl für die Abschaffung des Geschlechtseintrags in offiziellen Dokumenten, als auch für eine selbstbestimmte dritte Option ein: Bei Geburt soll der Eintrag für alle offen bleiben. Später kann sich jede Person, die das wünscht, die Geschlechtsbezeichnung eintragen lassen, die für sie die richtige ist.

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Das neue Polizeigesetz NRW
15. August, AZ Mülheim (Auerstraße 51, 45468 Mühlheim an der Ruhr), 19 Uhr

 

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – Update zum neuen Polizeigesetz NRW
12. September, Kollektivkneipe Leo: 16 (Herwarthstr. 7, Münster), 20 Uhr

Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW bedient die populistischen Ängste, die sie selbst im Wahlkampf geschürt hat und plant eine heftige Verschärfung des Polizeigesetzes nach dem bayrischen Vorbild. Zwar hat die Landesregierung aufgrund der heftigen Kritik die Verabschiedung des Gesetzes auf Oktober/November verschoben und geringfügige Entschärfungen angekündigt.

Aber es bleibt dabei: Die bereits bestehenden Befugnisse der Polizei, einzuschreiten bevor überhaupt etwas passiert ist, werden dadurch stark ausgeweitet – auf Kosten der Freiheit aller Menschen.

Wie fügt sich das Vorhaben in den derzeitigen Sicherheitsdiskurs ein? Was kommt da auf uns zu? Was bedeutet der neu eingeführte Begriff der „drohenden Gefahr“? Welche Gefahren ergeben sich daraus wiederum für jede*n Einzelne*n von uns, für unseren Alltag und unsere politische Praxis? Wie reagieren wir auf diese Einschränkung unserer Rechte?

Diese und andere Fragen wollen wir mit euch diskutieren. Wir – das sind der AK Zu Recht und andere Personen, die sich in der Kampagne gegen das Polizeigesetz engagieren. Es ist klar: Die Neuerungen werden uns alle treffen. Klar ist aber auch: Einige werden davon besonders betroffen sein. Diesen Menschen muss unsere Solidarität gelten. #NoPolGNRW

Lesung  aus dem Buch „Was macht uns wirklich sicher?“ Und anschließende Diskussion mit Melanie Brazzell, Jaya Chakravarti & Jen Petzen (gemeinsam veranstaltet mit edition assemblage und dem Frauenreferat des AStA der Uni Münster)
14. September, Kollektivkneipe Leo: 16 (Herwarthstr. 7, Münster), 19 Uhr

Wir feiern die Veröffentlichung des „Was macht uns wirklich sicher?“ Toolkits mit Herausgeberin Melanie Brazzell, Jen Petzen und Jaya Chakravarti. Dieses Toolkit stellt das Sicherheitsversprechen des Staates im Falle von sexualisierter- und Partner_innengewalt in Frage, weil Techniken wie Polizei, Gefängnis und Grenzen Gewalt (re)produzieren anstatt sie zu beenden. Das Toolkit und die verschiedenen Beiträge von vielen Organisationen und Aktivist*innen vorstellen (u.a. LesMigraS, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt – KOP, Hydra e.V.) sollen bei der Lesung vorgestellt werden.

Dabei wird der Frage nachgegangen, wie vermeintlich gut gemeinte Ansätze zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt so schief laufen und für Rassismus instrumentalisiert werden können? Das Toolkit stellt heraus, dass wir zwischenmenschliche Gewalt in Verquickung mit staatlicher Gewalt verstehen müssen, um sie angemessen aufzuarbeiten und zu bekämpfen. Um dies zu erreichen, schlägt das Toolkit einen Ansatz intersektionaler transformativer Gerechtigkeit vor: Es besteht aus verschiedenen Experimenten von community-basiertem Umgang mit zwischenmenschlicher Gewalt – vor allem sexualisierter und Partner_innen-Gewalt – jenseits vom Staat und dessen Straflogik.

Wenn uns Polizei und andere Sicherheitsinstitutionen wie Grenzen und Gefängnisse keine wirkliche Sicherheit geben können, sondern das Gegenteil bewirken, also Unsicherheit verbreiten, welche Möglichkeiten gibt es dann? Wie können wir selbst Sicherheit schaffen und den Begriff ‚Sicherheit‘ für uns zurücknehmen?

AK Zu Recht: Workshop “Deconstructing Sicherheitsbegriff? Na sichi!” im Rahmen der Kritischen O-Wochen
13. November, Kollektivkneipe Leo: 16 (Herwarthstr. 7, Münster), 17 Uhr

 

AK Zu Recht: Workshop “Deconstructing Sicherheitsbegriff? Na sichi!” im Rahmen der langen Nacht der Bildung am Institut für Politikwissenschaft Münster
16. Dezember, Hörsaal SCH 4, 21:20 Uhr

 

AK Zu Recht: Drohende Gefahr – das neue Polizeigesetz NRW im Rahmen der langen Nacht der Bildung am Institut für Politikwissenschaft Münster
16. Dezember, Hörsaal SCH 4, 22:40 Uhr

Was macht uns sicher? Vom Umgang mit der drohenden Gefahr eines neuen Polizeigesetz. Nicht nur in Bayern, auch in NRW soll es ein neues Polizeigesetz geben. Der vermeintliche Grund: ‘Die Bevölkerung hat Angst! Wir brauchen Sicherheit!’ Aber wer sagt das eigentlich und was soll das mit diesen Polizeigesetzen? Was ist gerade Stand der Dinge in NRW? Und wie können wir uns dem Angriff auf unsere Freiheitsrechte entgegenstellen? Workshop mit dem AK Zu Recht. Es werden keinerlei juristische Kenntnisse vorausgesetzt. Und es gibt Kekse.

 

2017

Ulrike Spangenberg: Geschlechter(un)gerechtigkeit im Steuerrecht
09. Januar 2017, Raum S9, 19 Uhr

Geschlechterverhältnisse werden im Steuerrecht selten thematisiert, denn die meisten Regelungen sind geschlechtsneutral formuliert. Aber sind Regelungen wie das Ehegattensplitting, die steuerliche Förderung der Altersvorsorge oder die Absetzbarkeit von Wegekosten angesichts der unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen und Männern tatsächlich (geschlechter)gerecht und steuerrechtlich zulässig?

Zübeyde Duyar: Schwierigkeiten der Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe im deutschen Asylverfahren vor dem Hintergrund europäischer Regelungen
12. Januar 2017, Raum S9, 19 Uhr

Im Fokus der Veranstaltung stehen geschlechtsspezifische Fluchtgründe und die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Gerichte. Machen geflüchtete Menschen im Asylantrag eine Verfolgung aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung bzw. ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität geltend, wird der Person aufgrund “politischer Verfolgung” keine Asylanerkennung gewährt und ihre Flüchtlingseigenschaft nicht anerkannt. Die restriktive Entscheidungspraxis des BAMF wird auch nur in Einzelfällen durch wenige Verwaltungsgerichte korrigiert. Das geflüchteten Menschen von geschlechtsspezifischer Verfolgung widerfahrene Unrecht wird so weder menschenrechtlich noch asylrechtlich ausreichend gewürdigt.

Die Veranstaltung soll neben einer kurzen Darstellung des deutschen Asylverfahrens aus der Perspektive von geschlechtsspezifischer Verfolgung geflüchteter Menschen, der Entscheidungspraxis des BAMF und der Verwaltungsgerichte, auch wichtige Aspekte in der Asylverfahrensberatung und anwaltlichen Vertretung aufzeigen. Im Rahmen der anschliessenden Diskussion sollen gemeinsam Lösungswege für die Schwierigkeiten der Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe erarbeitetwerden.

Andreas Fisahn: Souveränitäten, Demokratie und Geldpolitik
16. Januar 2017, Raum S9, 19 Uhr

Im Kontext der Finanz- und Schuldenkrise setzt sich der Vortrag mit unterschiedlichen Konzepten zur Souveranität und Demokratie in Bezug auf den Finanzsektor auseinander. Dabei wird kritisch hinterfragt, inwieweit durch die Handlungen der EZB in Zuge der Finanzkrise Souveranitäts- und Demokratiekonzepte umgangen oder ausgehebelt wurden. Der Vortrag analysiert die Argumentationsweisen der Wirtschaft während der Finanzkrise aus rechtlicher sowie politikwissenschaflticher Perspektive.

Timo Schwander: Examen ohne Rep? Strategien zur unkommerziellen Examensvorbereitung
26. Januar 2017, Raum F3, 19 Uhr

“Bis zum Examen solltest du soviele Klausuren schreiben, wie du Punkte erzielen möchtest, multipliziert mit 10”? “Probleme schaffen, statt wegschaffen”? “Trennt euch am besten von eurem/eurer Freund/Freundin, für die werdet ihr in der nächsten Zeit sowieso nicht mehr viel übrig haben”?

Solche und ähnliche Tipps erhält man in kommerziellen Repetitorien, wenn man sich auf den Weg Richtung Staatsexamen begibt. In Münster scheinen die einzigen Alternativen das Unirep oder ein kommerzielles Rep zu sein. Nur kongeniale Profs scheinen ihr Examen in selbständiger Vorbereitung geschafft zu haben. Stimmt das so?

Studierende eigenständig auf die große Abschlussprüfung vor. Wir wollen gemeinsam überlegen, wie das gehen kann. Dabei geht es uns nicht darum, bestehende Repetitorien schlecht zu machen, sondern Möglichkeiten aufzuzeigen, wie ein selbstbestimmtes Studium auch in der Examensvorbereitung aussehen kann und Ängste, die von vielen Repetitor*innen geschürt werden, abzubauen.

Horst Kahrs: Du has(s)t die Wahl – Zum Zusammenhang von Wahlbeteiligung und Demokratie
27. April 2017, Raum JO 1, 19 Uhr

2017 gilt als „Superwahljahr“. Doch seit über 30 Jahren sinkt mit (wenigen Ausnahmen) die Beteiligung von Wahl zu Wahl. Auch bei den anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen wird die sog. Gruppe der Nichtwähler*innen wieder für Diskussionen sorgen: Sie wird sowohl als Symptom eine wachsenden Unzufriedenheit mit „der Politik“ und ihrem Personal gesehen als auch als wichtiges Mobilisierungsreservoir für alle Parteien in Zeiten unklarer Koalitionsbildung.

Doch welche Gründe gibt es für die wachsende Wahlenthaltung? Handelt es sich um eine hinzunehmende Verschleißerscheinung funktionierender Demokratien oder um ein besorgniserregendes Krisenphänomen? Erfolgt die die zunehmende Wahlenthaltung quer durch alle gesellschaftlichen Schichten? Und sind 100% Wahlbeteiligung überhaupt ein erstrebenswertes Ziel?

Darüber wollen wir mit den Sozialwissenschaftler Horst Kahrs diskutieren, der sich seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt und u.a. die Studie „Abschied aus der Demokratie. Zum sozialen Klassencharakter der wachsenden Wahlenthaltung der Preisgabe staatsbürgerlicher Rechte“ verfasst hat.

Friederike Boll: Recht auf Konfrontation? – Argumente gegen die Demonstrationsfreiheit rassistischer Gruppen vor Geflüchtetenunterkünften aus einer radikaldemokratisch-materialistischen Perspektive auf Privatheit und Öffentlichkeit
11. Mai 2017, Raum JO 1, 19 Uhr

Die Demokratie nicht der Demokratie halber abschaffen – das ist eine der großen Herausforderungen, vor der die Idee von Freiheit und Gleichheit aller Menschen seit jeher steht. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind Freiheiten, auf die gerade politische Oppositionen nicht verzichten wollen – so sehr sie im real existierenden Rechtsstaat auch zurecht gestutzt sind. Doch darf deshalb jederzeit jede Meinung überall geäußert werden? Und was wäre der Unterschied, wenn anstelle der anti-faschistischen Blockade auf der Straße der Staat sagen würde: „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“?

Angesichts von rassistischen Versammlungen vor Geflüchtetenunterkünften (und zunehmender Repression gegen anti-faschistischen Widerstand beispielsweise gegen AFD-Parteitage) widmet sich die Veranstaltung den Grundrechten der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Auch wenn die Verknüpfung zunächst verwundern mag, werden diese Freiheiten zusammen mit der gesellschaftlichen Sphärenteilung in Privatheit und Öffentlichkeit betrachtet.

Mit Ingeborg Maus – einer zu Unrecht wenig bekannten Vertreterin der Frankfurter Schule – wird zunächst ein radikaldemokratisches Verständnis von Grundrechten, privaten und öffentlichen Freiheiten vorgeschlagen. Die Referentin schlägt sodann eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit rassistischer Gruppen vor Geflüchtetenunterkünften vor, die von den Rechten der Bewohnenden ausgeht anstatt Meinungen als Meinungen zu verbieten.

Eric Töpfer: Wünsch dir was! NSA-Untersuchungsausschuss, BND-Komplex und die Verrechtlichung der Ausland-Überwachung
12. Juni 2017, Raum JO 1, 19 Uhr

Seit April 2014 versucht der NSA-Untersuchungsausschuss (NSA-UA) des Deutschen Bundestages etwas Licht ins Dunkel der massenhaften Überwachung durch die Geheimdienstallianz der „Five Eyes“ und ihre Bedeutung für den schmutzigen Krieg gegen den Terror zu bringen. Während der mehr als hundert Sitzungen des Untersuchungsausschusses wurde deutlich, dass auch deutsche Dienste tief in internationale Kooperationen jenseits effektiver demokratischer Kontrolle verstrickt sind und dabei systematisch bestehendes Recht verletzt wurde. Noch bevor der Ausschuss seinen Abschlussbericht vorlegt, will die Große Koalition mit einem „Reform“-Paket einen Schlussstrich ziehen, der insbesondere das beschädigte Ansehen des Bundesnachrichtendienstes (BND) restaurieren soll. Der Vortrag gibt einen Überblick über die bisherigen Ergebnisse des NSA-UA sowie das Gesetzespaket zur „Reform“ der Arbeit des BND und seiner Kontrolle und diskutiert die Machtverschiebungen, die sich aus der Globalisierung der Überwachung ergeben.

Angela Furmaniak & Tobias Singelnstein: Die neuen §§113, 114 StGB – Individualschutz für Polizist*innen?

10.07.2017, Raum S 2, 19 Uhr

Am 27. April 2017 wurde eine erneute Verschärfung der Widerstandsdelikte im Bundestag beschlossen. Unter dem Titel “Schubsen gleich drei Monate Gefängnis?” wurde in den letzten Wochen viel diskutiert, was die Neufassung der §§ 113, 114 StGB tatsächlich bedeuten wird und welche Konsequenzen sie insbesondere für die Versammlungsfreiheit haben wird. Nicht nur der tatbestandliche Anwendungsbereich wird erweitert, auch das Mindeststrafmaß wird auf drei Monate erhöht. Kritik über die Unverhältnismäßigkeit der Regelung kommt von vielen Seiten.

Stimmt es, dass ein Anstieg der Gewalt gegen Polizist*innen zu beobachten ist? Was sagt uns eigentlich die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)? Wird legitimer Protest durch die Verschärfung kriminalisiert?

In der Woche nach den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg wollen wir gemeinsam mit unseren Gästen: Rechtsanwältin Angela Furmaniak und Prof. Dr. Tobias Singelnstein darüber sprechen, was sich konkret verändern wird und wie sich die Änderungen auch auf die anwaltliche Praxis auswirken werden.

Filmvorführung “Im inneren Kreis” und anschließendes Publikumsgespräch mit Filmemacher*innen Claudia Moral und Hannes Obens

13.10.2017, Cinema (Warendorfer Str.), 19 Uhr

Die Dokumentation IM INNEREN KREIS erzählt von den Ereignissen rund um die verdeckten Ermittler*innen, die über Jahre Teile der linken Szene Hamburgs und Heidelbergs ausspionierten und im Jahr 2014 aufflogen. Betroffen waren vor allem die Szene rund um das Hamburger Zentrum „Rote Flora“ und studentische Gruppen in Heidelberg.

Der AK zu Recht lädt anschließend zum Publikumsgespräch ein, bei dem die Filmemacher*innen Claudia Morar und Hannes Obens anwesend sein werden.

Workshop des AK Zu Recht: “NSU – Ein (Verdrängungs)Prozess” im Rahmen der Langen Nacht der Bildung am Institut für Politikwissenschaft Münster

07.12.2017, Raum SCH 3, 22:40 Uhr

Seit einiger Zeit ist es ruhiger geworden um den NSU-Prozess am OLG München. Während das mediale und gesellschaftliche Interesse scheinbar abnimmt, haben vor einigen Wochen die Plädoyers der Nebenklage begonnen. Diese geben insbesondere den Perspektiven der Opfer und Opferangehörigen Raum. Doch nicht nur durch die Nebenklage bekommt der Prozess eine politische Dimension, auch die Bundesanwaltschaft und die Verteidigung verfolgen eigene Strategien, die Aufschluss über gesellschaftliche Zusammenhänge geben. Deshalb möchten wir gemeinsam mit euch diskutieren, welche Implikationen sich aus dem Handeln der BAW ableiten und welche Strategien die Verteidigung verfolgt. Wie agieren Akteure außerhalb des Verfahrens? Außerdem möchten wir diskutieren, was nach dem Prozess bleibt, welche Fragen ungeklärt sind und wie es weitergeht.

 

2016

Maria Wersig: Regulierung der Prostitution – feministische Perspektiven
02. November 2016, Raum S055, 16 Uhr

Mit dem Prostituiertenschutzgesetz wurde 2016 eine neue Etappe der Regulierung der Prostitution in Deutschland eingeleitet. Das Gesetz vereint gewerberechtliche und ordnungsrechtliche Instrumente und regelt neue Verpflichtungen für Betreibende von Prostitutionsstätten und Sexarbeiterinnen. Aus feministischer Perspektive ist die Regulierung von Prostitution hoch umstritten: Handelt es sich um einen Beruf oder um eine Menschenrechtsverletzung? Je nach Perspektive unterscheiden sich die rechtspolitischen Forderungen zum Thema. Im Rahmen des Workshops soll die Kontroverse um das Thema betrachtet und die neuen Regelungen des Prostituierenschutzgesetzes im Hinblick auf ihre zu erwartenden Wirkungen analysiert werden.

Roda Verheyen: Globalisiertes Recht in Zeiten des Klimawandels: Schutzanspruch eines peruanischen Hauseigentümers vor Gletscherflut gegen RWE – wie geht das?
21. November 2016, Raum S9, 19 Uhr

Das Pariser Klimaschutzübereinkommen steht kurz davor, in Kraft zu treten (angekündigt für den 04.11.2016), während sich gleichzeitig die Berichte von erheblichen Schänden und Auswirkungen durch den Klimawandel weltweit häufen. So sind z.B. nach Ansicht von Gletscherwissenschaftlern viele Gletscher bereits jetzt unrettbar verloren – mit allen Folgen für Umwelt und Menschen. Wie geht man mit diesem Fakt um? Müssen Menschen im besonders betroffenen Süden abwarten und die bereits auftretenden Schäden selber tragen? Oder gibt es Mechanismen im nationalen oder internationalen Recht, um das Verursacherprinzip umzusetzen?

Auch ein Hauseigentümer und Bergführer aus den peruanischen Anden, der konkret von einer Gletscherflut betroffen wäre, hat diese Frage gestellt und klagt jetzt vor dem Landgericht Essen gegen den größten Emittenten Europas, die RWE AG. Die den Kläger vertretende Rechtsanwältin wird die Klage beschreiben und in den größeren Kontext einrücken.

Maximilian Pichl: Aufklärung im Rechtsstaat – Der NSU-Komplex
24. November 2016, Raum S9, 19 Uhr

Vor fünf Jahren wurde der sog. “Nationalsozialistische Untergrund” (NSU) einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Insgesamt zehn Morde werden dem NSU bislang zugerechnet. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, das Nazis unentdeckt über zehn Jahre lang eine rassistische
Mordserie durchführen konnten, ist Gegenstand zahlreicher rechtsstaatlicher Foren der Aufklärung.

Der Vortrag befasst sich mit der Aufklärungsarbeit in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zum NSU-Komplex und wird teilweise auch auf den laufenden Strafprozess vor dem OLG München eingehen. Ausgehend von rechtssoziologischen Betrachtungen soll dargelegt werden, vor welchen spezifischen Problemen rechtsstaatliche Aufklärung steht, wenn eigene Sicherheitsbehörden und Geheimdienste politisch wie rechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollen. Der NSU-Komplex soll im Vortrag deshalb vor allem als eine Krise der Gewaltenteilung und als eine demokratische Frage beschrieben werden.

Katrin Niedenthal: Kritische Praxis von Anwält*innen und legal campaigning
5. Dezember 2016, Raum S9, 19 Uhr

In dem Vortrag soll anhand von Beispielen aus der praktischen Arbeit einer Antwält*innenkanzlei diskutiert werden, welche Widersprüche und praktische Schwierigkeiten sich ergeben, wenn man den Anwält*innenberuf mit einem emanzipatorischen Anspruch ausübt.

Es soll anhand von Beispielen darum gehen, die Grenze aber auch die Möglichkeiten der Unterstützung politischer Kämpfe durch anwaltliche Arbeit auszuloten. An welchen Punkten ist juristische Intervention unerlässlich? Kann der „Kampf“ auf juristische Ebene politischen Zielen dienen oder widerspricht sich dies nicht sogar? Kann anhand von Musterfällen eine breitere Debatte oder Öffentlichkeitsarbeit angestoßen werden oder gibt es Rechtsfragen, bei denen die Energie von vornherein in eine politische Kampagne gesteckt werde müsste? Welche Möglichkeiten bietet die Zusammenarbeit mit Ermittlungsausschüssen bzw. die Tätigkeit in „legal teams“? Was bedeutet strategische Prozessführung?

Katharina Schoenes: Rassismus – kein Thema vor Gericht?
12. Dezember 2016, Raum S9, 19 Uhr

Fünf Jahre nach Bekanntwerden der NSU-Morde gibt es in Deutschland weiterhin große Vorbehalte, Rassismus als strukturelles Problem ernst zu nehmen. Dies erschwert besonders die Auseinandersetzung mit Rassismus in staatlichen Institutionen. Ziel des Vortrags ist es, ausgehend von Erfahrungen und Prozessprotokollen der Prozessbeobachtungsgruppe JUSTIZWATCH eine Analyse rassistischer Denk- und Handlungsmuster in Polizei und (Straf-) Justiz vorzustellen. Der Fokus liegt auf Prozessen, die auf die eine oder andere Weise mit der polizeilichen Praxis des Racial Profiling in Zusammenhang stehen.