MACHT.RECHT.GESELLSCHAFT?

Redebeitrag Demonstration am 13.08.2021

Posted: August 24th, 2021 | Author: | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Demonstration am 13.08.2021

Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag, den wir zeitgleich bei Demonstration am 13.08.2021 in Münster und Dortmund zum geplanten Versammlungsgesetz NRW gehalten haben:

Wir vom AK Zu Recht Münster sind heute hier, um über das geplante Versammlungsgesetz zu sprechen. Wir schicken solidarische Grüße an die Genoss*innen nach [Dortmund / Münster], die jetzt gerade [auf dem Mehmet-Kubaşik-Platz/ vor der Bundespolizei] stehen und dort gegen das geplante Gesetz demonstrieren. Und wir rufen dazu auf, am 28. August nach Düsseldorf zur zweiten Großdemo zu kommen. Denn dieses Gesetz ist ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit und muss unbedingt gestoppt werden.

Die Versammlungsfreiheit ist ein zentrales Freiheitsgrundrecht. Ein Freiheitsgrundrecht ist dafür da, Menschen vor Übergriffen der öffentlichen Gewalt zu schützen. Jeder Mensch kann sich darauf berufen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Umgekehrt ist es der Staat, der sich für jeden Eingriff in die Versammlungsfreiheit rechtfertigen muss. Wie schon beim autoritären Polizeigesetz vor drei Jahren, will Innenminister Reul gerade diese Eingriffsmöglichkeiten der Polizei massiv ausbauen – und die ehemalige Bürgerrechtspartei FDP steht daneben und klatscht Beifall.

Die Versammlungsfreiheit wird im Grundgesetz garantiert, sie ist aber nicht einfach da, sie muss aktiv eingefordert werden – und das immer wieder von Neuem. Bereits in den 80er Jahren, im Nachgang an eine illegalisierte Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk Brokdorf, stellte das Bundesverfassungsgericht sich auf die Seite der Demonstrierenden. Es betonte, dass die Versammlungsfreiheit „unmittelbarste[r] Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit” und “eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“ ist.

Wegen dieser zentralen verfassungsrechtlichen Bedeutung muss ein Versammlungsgesetz polizeiliche Eingriffe auf ein absolutes Mindestmaß beschränken und glasklar festschreiben, wann die Polizei gegen Demonstrationen vorgehen kann. Stattdessen sind viele Begriffe im geplanten Gesetz extrem unbestimmt, d.h. sie können in viele verschiedene Richtungen ausgelegt und interpretiert werden. Sowohl die Gesetzesbegründung als auch Presseäußerungen legen nahe, dass es hier insbesondere um die Verhinderung antifaschistischer und klimaaktivistischer Protestformen geht. Insbesondere Schwarze Menschen und People of Colour werden auch weiterhin aufgrund des institutionellen Rassismus in der Polizei besonders stark von erweiterten Eingriffsbefugnissen betroffen sein. Dieser Rassismus zeigt sich übrigens besonders deutlich im racial profiling der Bundespolizei.

Der Gesetzesentwurf der Landesregierung ist ein Versammlungsverhinderungsgesetz. Mit dem Gesetz würde das Anmelden von Demonstrationen schwieriger, weil die Polizei mehr Informationen von Versammlungsleitung und Ordner:innen verlangen kann und die Anmeldefrist sich verlängert. Jede größere Demonstration könnte in Zukunft gefilmt werden – sowohl durch sog. „Übersichtsaufnahmen“ von oben als auch durch versteckte Kameras oder kleine Drohnen. Diese Maßnahmen wirken abschreckend auf Demonstrationsteilnehmer*innen und beschneiden damit in rechtstaatlich bedenklicher Weise das Grundrecht der Versammlungsfreiheit.

Auch sonst ist das Gesetz politisch völlig daneben, was sich am sog. Militanzverbot zeigt. Das sog. Militanzverbot soll es ermöglichen Demonstrationsteilnehmer*innen von einer Versammlung auszuschließen, wenn diese die “falsche” Kleidung tragen und dadurch angeblich “einschüchternd” wirken. In der Gesetzesbegründung werden an dieser Stelle SA und SS mit Ende Gelände-Aktivist*innen und dem „gefährlichen schwarzen Block“ in einem Atemzug als Beispiele genannt. Diese historisch völlig verquere Darstellung zeigt, dass es dem Gesetz um die Kriminalisierung linker Protestformen geht, und nicht – wie behauptet – um den Kampf gegen die extreme Rechte. Dabei zeigt sich einmal mehr, was die kürzlich verstorbene Ausschwitz-Überlebende Esther Bejarano gesagt hat: „Wer gegen die Nazis kämpft, der kann sich auf den Staat nicht verlassen.“

Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Gesetz durchkommt. Schon bei der ersten Großdemo im Juni hat die Polizei völlig freigedreht, Journalist*innen überrannt und hunderte Personen stundenlang gekesselt. Diese Polizei darf nicht mehr Befugnisse bekommen. Wir brauchen kein autoritäres und repressives Versammlungsgesetz, das nichts mehr von der Versammlungsfreiheit übriglässt. Gute Politik bewegt sich nicht an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit, sondern schützt verfassungsrechtlich garantierte Freiheiten.

Deswegen sind wir heute hier, deswegen sind wir am 28. August in Düsseldorf und zeigen der Landesregierung, was wir von ihrem Gesetz halten. Wir lassen uns unsere Demonstrationsfreiheit und unser Recht auf Protest nicht nehmen. Wir rufen Euch deshalb alle auf: Kommt noch einmal mit uns! Wenn wir den Druck der letzten Demo aufrechterhalten, kippen wir dieses verdammte Gesetz! Vielen Dank!


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