Redebeitrag Mahnwache am 03.10.2019
Posted: October 8th, 2019 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Mahnwache am 03.10.2019Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der Mahnwache vor dem AfD-Büro in Münster am 3.10.2019:
Heute ist der sog. Tag der deutschen Einheit, für viele ein Anlass ihrem verqueren Nationalstolz Ausdruck zu verleihen.
Weiterhin gibt es Unterschiede zwischen Ost und West. In Führungsjobs in Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Justiz sind so gut wie keine Ostdeutschen vertreten: von 35 Minister*innen und Staatssekretär*innen der Bundesregierung kommen nur zwei aus dem Osten, nur zwei von 140 deutschen Botschafter*innen kommen aus Ostdeutschland, in Ostdeutschland selbst sind immer noch 80 % der Führungspositionen von Westdeutschen besetzt.
Doch im Gespräch waren dieses Jahr häufiger die Unterschiede im Wahlverhalten der Wähler*innen in Ostdeutschland, da die AfD bei Landtags- und Europawahlen dort stark zugelegt hat. Als Grund dafür wird angegeben, dass die AfD einen Wahlkampf macht, welcher sich gegen etablierte Parteien richtet; Menschen wählen sie aus Hoffnung auf soziale Verbesserungen. Oft wird Wähler*innen auch nachgesagt, sie würden die AfD lediglich aus Protest wählen, um die Politik zum Handeln zu zwingen.
Doch diese Erklärungsmodelle greifen zu kurz.
Die alltäglichen und institutionalisierten Rassismen im Westen Deutschlands werden so kleingeredet: Es wird verkannt, dass Deutschland ein großes Problem mit Rechtsextremismus hat, zum Beispiel rüstet die rechtsradikale Szene extrem auf und bewaffnet sich. Durch den Fokus auf die soziale Enttäuschung der Ostdeutschen und die Charakterisierung als Protestwähler*innen wird so getan, als gäbe es keine offene Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft.
Letztes Jahr in Chemnitz zeigte sich wieder mal, wie gut die rechtsextreme Szene organisiert und vernetzt ist. Dort liefen AfD, NPD, Repräsentant*innen der Identitären Bewegung, von Pegida und bekannte Neonazis nebeneinander und die Vernetzung deutschlandweit wurde einmal mehr sichtbar. Die AfD ist Sprachrohr dieser Szene und versteht sich gut darin, sich als „bürgerlich“ zu verkaufen, in dem sie diesen Begriff immer wieder gezielt und strategisch z.B. in Interviews betont. Sie wendet eine Strategie der Selbstverharmlosung an. Dass die AfD mit dieser Strategie Erfolg hat, zeigt sich u.a. darin, dass ihre Bezeichnungen und ihr Wording von anderen Politiker*innen und vielen Medien unreflektiert übernommen werden (so z.B. in der Berichterstattung des ARD nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg als eine Moderatorin die AFD als „bürgerlich“ beschrieb).
Doch egal, wie sehr die AfD hofiert wird, sie wird sich immer wieder die Opferrolle zuschreiben und versuchen, jede Bühne zu nutzen, um ihre nationalistischen, homophoben, antifeministischen und rassistischen Positionen zu vertreten. An Diskurs ist sie nicht interessiert.
Das sieht mensch auch an ihrer Feindseligkeit gegenüber der Medienlandschaft. Wir müssen die Medien und den öffentlich-rechtlichen rot-grünen Propagandaapparat angreifen und schwächen.”, so AfD-Bundestagsabgeordnete Heiko Heßenkemper.
Wer die Medien angreift, greift eine der großen Stützen einer offenen und vielfältigen Gemeinschaft an. Unabhängige Berichterstattung ist wichtig. Gerade jetzt zeigt sich, dass Recherchen vom Recherchekollektiv Exif und Co schon viel länger mehr Beachtung verdient haben. Dass so langsam auch in größeren Medien vorkommt, dass die Rechten aufrüsten, hätte früher beachtet werden müssen. Und ach, oh Wunder- wer konnte damit rechnen, dass die Rechten gewalttätig werden? Aber sobald eine Debatte über die Gefährlichkeit bewaffneter Rechtsextremist*innen angestoßen wird (siehe Lübcke, Aufmärsche in Chemnitz 2018,…), werden Fakten klein geredet und aus ihnen nicht ausreichende Konsequenzen gezogen, was z.B. das Verbot von Combat 18 angeht. Täter*innen werden als individuell und, ohne in Strukturen eingebunden zu sein, beschrieben. Und es schreit mindestens die Hälfte der anwesenden Politiker*innen auf, mensch müsse aber ganz dringend auch nach links sehen.
Nicht nur am Schulterschluss mit Nazi-Strukturen und bekannten Neonazis zeigt sich das politische Ziel der AfD. Auch an ihrer Rhetorik zeigt sich ihr rechtsextremistisches Weltbild. Mehr als einmal ist der Begriff des Bevölkerungsaustauschs gefallen und je nach Publikum wird sich davon distanziert – oder eben auch nicht. Erst kürzlich versuchte Höcke, der gerne Mal von der „katastrophalen Niederlage von 1945“ oder dem „bevorstehenden Volkstod“ spricht, in einem ZDF-Interview seinen NS-Wortschatz zu verharmlosen.
Schaut mensch in das Parteiprogramm der AfD, wird klar: Wer dazu gehört, soll die freie Marktwirtschaft genießen können, wer nicht – naja eigentlich ist egal, was mit den anderen ist. Ist ja nicht unser Problem. Die deutsche Markwirtschaft basiert auf dem Ausschluss marginalisierter Gruppen an Teilhabe. Faschismus steckt nicht nur im Rassismus, sondern in jeder Art von kategorisierendem Verwertungsdenken. Der Gedanke der Verwertbarkeit und die Beurteilung danach stecken in vielen Forderungen der AFD. Sie fordert einen Staat, welcher sich überwiegend um Verwaltung und Verteidigung kümmert. Wer soziale Unterstützung benötigt, wird allein gelassen. Momentane wirtschaftliche Probleme und Risiken werden nicht in Bezug auf dieses kapitalistische Herrschaftssystem gesetzt. Es werden lediglich Sündenböcke gesucht- und gefunden in marginalisierten Gruppen.
Wir könnten auch darauf hinweisen, dass die AfD menschenverachtend und offen rassistisch ist, das ist jedoch derart offensichtlich, dass das alle hier Anwesenden wissen werden.
Bis vor kurzem wurde viel von einer „Unterwanderung“ der AfD von rechts gesprochen. Das klingt so als würden die AfD- Leute damit gar nichts zu tun haben. Wer aber regelmäßig mit rechtsextremen auf Podien oder Demos auftritt, wer auf Versammlungen das Deutschlandlied in drei Strophen singt, wer mit Identitären Bewegung Überschneidungspunkte sieht, wird nicht von diesen unterwandert, sondern gehört dazu.
Durch den Erfolg der AfD fühlen sich auch in NRW rechtsextreme Gruppen selbstbewusster offensiver. Auch hier, ganz in der Nähe gibt es wichtige Hotspots der rechten Szene. Hamm ist und soll es anscheinend aufgrund Unfähigkeit/Inkonsequenz des Ordnungsamtes auch bleiben – gerade in Bezug auf Rechtsrockveranstaltungen.
Auch hier, in unserer schönen Blase in Münster in der die AFD so herrlich wenig Stimmen bekommen hat, ist es wichtig auch außerparlamentarisch und zivilgesellschaftlich klare Position zu beziehen. Zwar gehört die Münsteraner AfD offiziell (noch) nicht zum Flügel, das muss jedoch nichts heißen. Die von der AfD Ortsgruppe Münster geplante Veranstaltung mit Kalbitz, dem Vorsitzenden der AfD in Sachsen, konnte durch die Veröffentlichung des Veranstaltungsortes zum Glück noch verhindert werden. (an dieser Stelle mal wieder: #dankeantifa). Dies zeigt, dass purer Opportunismus Schiller und Co lenkt. Geht es in der Führungsriege der Bundes-AfD weiter nach rechts, werden sich die Münsteraner*innen anschließen.
Und genau deshalb ist es wichtig, dass wir hier stehen. Dass die Initiative Südviertel diese Viertelarbeit macht. Die meisten Menschen wissen nichts von diesem Ort der AfD, wo es ihr möglich ist sich zu vernetzen und zu besprechen. Dies muss thematisiert werden. Denn niemand will sie hier haben.
Danke an alle, die sich engagieren.
Danke an alle, die heute hier sind.
Danke an alle, die heute in Hamm waren.
Danke an alle, die sich dem Faschismus entgegenstellen.
Als nächstes folgt der Redebeitrag der Antifaschistischen Linken Münster, die in diesem Bereich nicht nur in Münster sehr wichtige Arbeit macht und die Initiative schon lange begleitet.
Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda! Und auch kein Recht auf Nazi-Büros.