MACHT.RECHT.GESELLSCHAFT?

Redebeitrag Demo am 16.11.

Posted: November 25th, 2018 | Author: | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag Demo am 16.11.

Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag auf der Demonstration gegen das geplante Polizeigesetz am 16.11. in Münster:

Wurde die drohende Gefahr des PolG entschärft?

Wir als kritische Jurastudierende vom AK Zu Recht aus Münster wenden uns gegen den Reformvoschlag für das Polizeigesetz NRW. Wir denken, dass das neue Polizeigesetz weiterhin eine drohende Gefahr für ganz grundlegende rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien darstellt und auf unverhältnismäßige Weise unser aller Freiheit einschränkt.

Aber was ist eigentlich so ein Polizeigesetz?

Ein Polizeigesetz gibt der Polizei die rechtliche Grundlage dafür im Vorfeld einer Straftat einzuschreiten, wenn eine strafbare Handlung noch nicht ausgeführt wurde. Es regelt die Abwehr von Gefahren!

Es geht also in einem Polizeigesetz gerade nicht um Strafverfolgung, sondern um polizeiliches Handeln im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld einer potentiellen Tat. Maßnahmen, die weit im Vorfeld einer potentiellen Straftat liegen, sind den Geheimdiensten vorbehalten und es gibt Gesetze, die deren Arbeit klar reglementieren. Die Polizei darf erst einschreiten, wenn eine „konkrete Gefahr“ gegeben ist, also wenn bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rechtsgutverletzung eintritt, falls die Polizei nicht sofort handelt. Die Geheimdienste dürfen bei der Planung einer Straftat Informationen sammeln, dürfen mich jedoch nicht anhalten und kontrollieren, wenn ich mir eine Axt oder eine Sturmhaube gerade erst kaufe.

Doch auch aufgrund der Landesweiten Proteste – auch hier in Münster – sieht der neue Änderungsantrag nicht mehr den Begriff der drohenden Gefahren, sondern „nur“ noch den Begriff der drohenden terroristischen Straftat vor, sodass er den Anschein einer „Entschärfung“ der vorgesehenen Änderungen hat. Doch ist die „Gefahr“, die von dem Entwurf ausging nun gebannt? Ist der neue Entwurf damit besser? Macht er uns sicher?

Statt auf Unsicherheitsfaktoren wie die wachsende soziale Ungleichheit politisch einzugehen, antwortet der Landesgesetzgeber auf subjektive Unsicherheitsgefühle der Bürger*innen, die auch durch rein populistische und/oder rassistische Aussagen der mittlerweile in allen Landesparlamenten vertretenen AFD hervorgerufen und befeuert werden, mit einer Ausweitung der polizeilichen Befugnisse. Dass die Kriminalitätsrate 2017 so niedrig war wie seit 25 Jahren nicht mehr scheint in diesem emotional aufgeladenen Diskurs keinen Platz zu haben. Wir leben – was die Kriminalität in Deutschland betrifft – in selten sicheren Zeiten.

Dem sich nach rechts verschiebenden Diskurs folgend sind im aktuellen PolG-E die Maßnahmen des Präventivgewahrsams und der Überwachung der laufenden Telekommunikation, um nur diese beiden zu nennen, auch weiterhin enthalten. Die Maßnahmen im Rahmen der strategischen Fahndung werden durch den Änderungsantrag sogar ausgeweitet: Behältnisse sollen im Rahmen einer Inaugenscheinnahme geöffnet werden können.

Personen sollen zur Feststellung ihrer Identität bis zu einer Woche, statt wie bisher bis zu 12 Stunden, in Gewahrsam genommen werden können. In den Augen der Landesregierung müssten wir uns dadurch sicherer fühlen.

Gibt es uns Sicherheit, wenn die Überwachung von öffentlichen Plätzen ausgeweitet wird, ohne dass dies kenntlich gemacht werden muss? Oder verhalte wir uns dann überall wie im Kontrollbereich eines Flughafens und bemühen uns bloß nicht aufzufallen aus Angst Ziel einer Kontrolle und dadurch stigmatisiert zu werden? Nach welchen Kriterien wird im Rahmen einer strategischen Fahndung entschieden, wer kontrolliert werden soll- gerade im Hinblick auf die „Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts“? – Wahrscheinlich rassistische Kriterien! Die Stigmatisierung ganzer gesellschaftlicher Gruppen ist vorprogrammiert Das untergräbt nicht nur unser Sicherheitsgefühl, anstatt es zu stärken – das sorgt de facto für Unsicherheit.

Hinzu kommt die robustere Ausstattung der Polizei, die auch nach dem Änderungsantrag von CDU und FDP bestehen bleibt: Maschinengewehre, Distanztaser, schwere Fahrzeuge. Je mehr Bewaffnung desto mehr Sicherheit? Je weiter im Vorfeld einer möglichen Straftat eingesetzt, je kontrollierender die Maßnahmen, desto weniger Straftaten? Nein!

Je stärker und einheitlicher die Polizei organisiert ist, desto größer ist die Gefahr einer Grenzverwischung von Polizei und Geheimdiensten. Je weiter die Maßnahmen gehen, desto verheerender werden die Folgen für schon jetzt von Polizeigewalt Betroffene wie Wohnungslose, psychisch Kranke, Streikende, Fussballfans und Personen, die racial profiling erleben. Und desto eher neigen die Menschen, die sich gerade gegen das Sterben im Mittelmeer, institutionellen Rassismus, den Klimawandel oder den Braunkohletagebau im Hambacher Forst wenden, – auf Grund der abschreckenden Wirkung solcher Maßnahmen dazu ihre politische Einstellung nicht zu manifestieren. Darum lasst uns durch diese und hoffentlich viele weitere Zusammenkünfte von unseren Freiheitsrechten Gebrauch machen, welche vorgeben, dass der Staat und nicht wir Menschen, sich für sein Handeln rechtfertigen muss.

Je populistischer die Gesetzgebung wird, desto kleiner wird der Stellenwert der Freiheit.
Und wenn die versprochene Sicherheit unsere grundrechtlich garantierte Freiheit beschränkt, auf was soll diese Sicherheit dann aufbauen?


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