Redebeitrag bei Demo am 22.6. in Münster
Posted: July 9th, 2018 | Author: akzurecht | Filed under: General | Comments Off on Redebeitrag bei Demo am 22.6. in Münster“Die Bevölkerung ist verunsichert!”, so heißt es allenthalben. Statt darauf mit eingehenderen Analysen und darauf basierenden, fundierten politischen Maßnahmen zu reagieren, hat die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW beschlossen zu tun, was gerade überall in Deutschland Landesregierungen tun: Auf populistische Aussagen mit einer populistischen Gesetzesänderung zu reagieren.
Dagegen wenden wir uns als kritische Jurastudierende aus Münster. Wir denken, dass das neue Polizeigesetz eine drohende Gefahr für ganz grundlegende rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien darstellt und auf unverhältnismäßige Weise unser aller Freiheit einschränkt.
Aber was ist eigentlich so ein Polizeigesetz?
Ein Polizeigesetz gibt der Polizei rechtliche Grundlagen dafür einzuschreiten, wenn noch kein Schaden entstanden ist. Anders als bei der Strafverfolgung, geht es im Polizeirecht um die Verhinderung der Entstehung von Schäden. Dafür sehen Polizeigesetze den Begriff der “Gefahr” vor, die bestehen muss, damit die Polizei einschreiten darf. Bisher mussten konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintritt, wenn die Polizei jetzt nicht sofort handelt. Wenn ich mir vor einem Juwelierladen schwarze Handschuhe anziehe und eine Axt aus meinem Rucksack ragt, darf die Polizei mich anhalten und meine Identität kontrollieren.
Alles was weiter im Vorfeld von solchen Maßnahmen liegt, ist nicht Aufgabe der Polizei, sondern der Geheimdienste. Wenn also eine Person darüber nachdenkt eine schwere Straftat zu begehen, dann gibt es Gesetze, die die Geheimdienste ermächtigen, Informationen über diese Person zu sammeln. Weil da aber ja noch unklar ist, ob und was genau passieren wird, haben Geheimdienste andere Befugnisse als die Polizei und dürfen mich gerade nicht anhalten und kontrollieren, nur weil ich mir vor meiner Haustür schwarze Handschuhe anziehe und kürzlich im Internet eine Axt gekauft habe.
Im neuen Polizeigesetz gibt es den Begriff der “drohenden Gefahr”. Dadurch wird es der Polizei ermöglicht, sehr viel früher einzuschreiten als bisher. Zu einem Zeitpunkt nämlich, der bisher den Geheimdiensten vorbehalten ist. Zu einem Zeitpunkt, in dem noch nichts passiert ist und auch noch kein konkreter Schaden droht. Zu diesem sehr frühen Zeitpunkt soll die Polizei nun schon sehr freiheitsbeschränkende Eingriffsbefugnisse bekommen. Wir werden sicher in den nächsten Beiträgen noch viel hören über Aufenthaltsgebote, Präventivhaft, Fußfessel und Videoüberwachung.
Dass es die Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst gibt hat gute Gründe: Schon immer war die Polizei in Deutschland eine “starke Polizei”. Während des Nationalsozialismus war sie jedoch besonders stark und das lag zum Einen daran, dass sie zentral organisiert war und zum Anderen, dass die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten faktisch aufgelöst wurde. Die Aufweichung dieser Trennung und die bundesweite Angleichung aller Polizeigesetze der Länder an ein “Musterpolizeigesetz” ist deshalb gefährlich.
Gleichzeitig erleben wir, dass die Polizei mit immer robusterer Austattung ausgerüstet wird. Maschinengewehre, Taser, schwere Fahrzeuge, in Bayern sogar Handgranaten – Wohin führt das? Wird Deutschland sicherer, wenn die Polizistinnen und Polizisten immer anonymer, mächtiger und, wie es das Innenministerium sich wörtlich wünscht, “gewaltfähiger” werden? Nein! Es wird unsicherer, und das vor allem für Menschen, die bereits jetzt von polizeilicher Diskriminierung und Stigmatisierung betroffen sind.
Wir leben – historisch betrachtet – in außergewöhnlich sicheren Zeiten. Wir wollen in Freiheit leben. Wir wollen, dass Grundrechte mehr sind als bloße Lippenbekenntnisse. Wir wollen, dass die ständige Erweiterung von polizeilichen Befugnissen aufhört. Deswegen lehnen wir das neue Polizeigesetz ab und fordern die klare Einhaltung der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten.
Die Entscheidung über das Gesetz sollte eigentlich am 11. Juli fallen. Mittlerweile hat auch die Regierung eingesehen, dass weite Teile des neuen Gesetzes verfassungswidrig sind und hat die Entscheidung verschoben. Das ist auch das Resultat unserer Proteste! Lasst uns an dieser Stelle weitermachen! Lasst uns uns gemeinsam gegen die Verschiebung der Maßstäbe stellen und lasst uns weiter Widerstand leisten!